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00:00:02: Too Long Didn't Read, der Theorie Podcast der Rosa Luxemburg Stiftung.

00:00:15: Hallo, ich begrüße euch zum Theorie Podcast der Rosa Luxemburg Stiftung.

00:00:21: Mein Name ist Alex Demirovic.

00:00:24: In dieser Episode wollen wir über das Buch von Paul LaFargue das Recht auf Faulheit sprechen.

00:00:33: Der Podcast heißt ja Too Long Didn't Read.

00:00:36: Das ist in diesem Fall jetzt nicht ganz so richtig.

00:00:39: Das ist eigentlich ein ganz kleines Büchlein, ja, vierzig-fünfzig Seiten.

00:00:44: Wie ich finde, ein großer Klassiker der materialistisch-kritischen Tradition.

00:00:49: Achtzehnhundertachzig in einer Zeitschrift und dann achtzunachtreihenachzig als Buch erschienen.

00:00:57: Ja, Paula Farg ist eine interessante Person.

00:01:02: ist am fünften Januar, in Santiago de Cuba geboren und starb am sechsenzwanzigsten November, in Travay, in Frankreich.

00:01:18: Zusammen mit seiner Frau Laura, die eine Tochter von Karl und Jenny Marx war.

00:01:25: Man kann eigentlich sagen, dass La Fargue eine der ganz maßgeblichen Sozialisten der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in Frankreich war und durch, wie sich noch zeigen wird, durch sein großes Netz an Beziehungen, an Briefwechseln, an Austausch, an politischem Engagement eben auch weitläufig vernetzt war.

00:01:48: nach Großbritannien, Deutschland, Belgien, Spanien.

00:01:53: Er war ja auch spanischer Staatsbürger.

00:01:56: Beide Elternteile, Vater und Mutter, haben ihre Familien gehabt in Haiti, also Santo Domingo.

00:02:06: Und beide waren aus Haïti geflüchtet.

00:02:10: Der Vater war Weinhändler.

00:02:13: Ein Plantagenbesitzer hat dort in Kuba Produktion von Zucker und Tapak betrieben.

00:02:21: Die Mutter hatte auch jüdische Vorfahren, also durch den Großvater, der aus Frankreich nach Haïti ausgewandert war.

00:02:30: Also es war eben ganz multikulturell.

00:02:36: Siedelte die Familie von Cuba nach Bordeaux über.

00:02:40: Wahrscheinlich war eines der Motive, Paul die Möglichkeit zu geben einer besseren Schulausbildung, also dass er nicht nur eine spanische Schule besucht, sondern auch eine Schule mit Literatur französisch Philosophie.

00:02:57: Er legte dann das Baccar-Lauréat in Toulouse ab und begann in Paris ein Studium der Medizin.

00:03:09: Er wohnte im Cadier-Latin und gehörte bald zur Opposition gegen Napoleon III.

00:03:17: war zu dieser Zeit zu Beginn seines Medizinstudiums stark beeinflusst von Prudant.

00:03:27: In der Französischen Sektion der Internationalen Arbeiter-Assoziation an und begann sich zunehmend zu radikalisieren und auf revolutionäre Theorietraditionen und politische Praxis zu beziehen, sodass Planquis eine der für ihn wichtigen Person war, also auch mit der Vorstellung, dass soziale Revolution das Mittel zur Abschaffung von Autorität sei.

00:03:57: Er beteiligte sich in diesem Jahr auch an der Organisation eines studentischen Kongresses, der wegen seiner revolutionären und atheistischen Ausrichtung verboten wurde.

00:04:10: Das heißt, der Kongress wurde dann in Belgien organisiert und Lafac selbst wurde für zwei Jahre vom Universitätsstudium in Frankreich ausgeschlossen, in Paris sogar dann lebenslang.

00:04:25: Das veranlasste ihn dann im Februar nach London zu übersiedeln und dort sein Medizinstudium fortzusetzen.

00:04:36: Eben als Mitglied der Internationalen Arbeiterassociation nahm er Kontakt zu Marx auf und lernte bei dieser Gelegenheit Auch Marx-Tochter Laura kennen, die sich beide dann verliebten und relativ schnell verlobten.

00:04:52: Die Eltern von Laura, also die Familie Marx, war gar nicht glücklich darüber und bestanden darauf, dass Lafarg erst mal sein Studium zu Ende machen sollte.

00:05:05: scheint insgesamt ein bisschen ambivalentes Verhältnis zu Lafarg gehabt zu haben, so dass ja einige Formulierungen bekannt sind von ihm.

00:05:16: in denen er ohne zu zögern das Endwort benutzt, um Lafarg zu charakterisieren und auch so zu sprechen, Abkömmling eines Gorillas, Afrikaner, medizinischer Kriole, Ritter von der traurigen Gestalt, also eine Reihe von eher, wenn man so will, abschätzlichen Bemerkungen.

00:05:38: Man kann aber auch annehmen, dass es durchaus ein bisschen ironisch, naja, kumpelhaft gemeint war, denn er sagt auch, dass er Lafarg für ein Schlingel hält.

00:05:51: Ehrlich gesagt, ich habe den Jungen gern, gleichzeitig aber bin ich ziemlich eifersüchtig auf ihn.

00:05:57: Also, es war offensichtlich ein bisschen ambivalent und in dem Zusammenhang sagt dann Marx auch, also... Das ganz kritisch gemeint, dass er das verachtet, die weiße Rasse für eine Art Gott unter den anderen Menschenrassen zu halten und deswegen dagegenhält.

00:06:20: Er muss zu einer besseren Rasse gehören als der Europäischen.

00:06:25: Also, das heißt, Marx ist eben an diesem Punkt durchaus, könnte man sagen, selbstkritisch oder denkt weiterführend darüber nach.

00:06:34: La Fargue wurde dann Mitglied des Generalrats der Internationalen Arbeiter-Assoziation und vertrat in diesem Zusammenhang Spanien, was sicherlich damit zu tun hatte, dass er spanischer Staatsbürger war und eben aufgrund seiner Herkunft auch Spanisch sprach.

00:07:00: In dem Jahr schloss er auch das Medizinstudium ab.

00:07:05: Also im selben Jahr der Hochzeit ging beide dann nach Frankreich.

00:07:09: LaFarck nahm an der Gründung der Pariser Sektion der ersten internationale Teil mit dem Beginn der... Belagerung, Frankreichs, der Pariser Kommune, der Verfolgung, Niederschlagung, flogen er und Laura dann nach Bordeaux, also zu Lafargs Eltern.

00:07:29: Und um eine Verhaftung zu entgehen, flüchteten sie dann auch weiter nach Spanien, wo sie dann eben Reihe von Jahren, also bis in die Achtzehnundzeinundachtzig, blieben.

00:07:41: Die drei Kinder, die die beiden hatten, starben alle.

00:07:45: Also das veranlasste Lafarg dann auch zu dem Beschluss nicht mehr als Arzt zu praktizieren, weil er eben die Haltung hatte, dass die Medizin sowieso da nicht helfen würde.

00:07:58: Nach einer Amnestie, der Kommune-Kämpfer eben, eben, eighteenhundertzehnundachtzig, ging das Ehepaar zurück nach Frankreich und er gründete dort mit Jules Gäst den Partit ouvrier, also die sozialistische Arbeiterpartei.

00:08:17: In dieser Zeit eben entstand dann auch dieses kleine Pamphlet, das Recht auf Faulheit, über das wir dann noch weiter sprechen wollen.

00:08:25: La Farg verstand sich als ein scharfer Kritiker jeder nationalen Orientierung, das brachte ihm dann auch den Vorwurf ein, dass er wie Marx das formuliert.

00:08:40: formulierte, ein prudonistischer Sternarianer sei.

00:08:45: Also eine Tendenz zum Kosmopolitismus, zum Internationalismus.

00:08:50: Das ist jetzt ein besonderer Aspekt.

00:08:53: Ein anderer Aspekt waren die rassistischen Angriffe Aufla Farg, der ja als farbiger Galt, also Warmulatte.

00:09:02: Bezeichnete saß sich selber auch so kreolicher Herkunft.

00:09:06: Es wurde immer wieder das Endwort auch gegen ihn verwendet, um ihn eben rassistisch zu beleidigen.

00:09:13: Und auf diese ständigen rassistischen Attacken reagierte LaFarq in einem Artikel, den er mit LaFarq Mulatte kennzeichnete.

00:09:26: Sie schleudern uns als Beleidigung die Bezeichnung On the Colour.

00:09:31: Ins Gesicht, also die Beleidigung, ein farbiger Mensch zu sein, es ist unsere Aufgabe als revolutionäre Mulatten, diese Bezeichnung aufzunehmen und sich ihrerwürdig zu erweisen.

00:09:46: Radikale in Amerika macht Mulatte zu eurem Sammelruf.

00:09:51: Er bezeichnet Elend, Unterdrückung, Hass.

00:09:55: Wisst ihr etwas Schöneres?

00:09:58: Also eine ganz stolze, kämpferische Haltung gegenüber diesem Rassismus.

00:10:07: Das war etwas, was er lange beschlossen hatte, dass er aus dem Leben scheiden würde, wenn er den Eindruck hatte, dass eine Perspektive gesundheitlich, körperlich, so nicht weiter bestünde.

00:10:22: Auch dazu möchte ich gerne etwas vorlesen, weil es beeindruckend ist, wie er darüber nachdenkt.

00:10:28: Gesund an Körper und Geist gab ich mir den Tod.

00:10:32: bevor das unerbittliche Kreisenalter einen Teil des Vergnügen und der Freude des Daseins nimmt und mich der physischen und geistigen Kräfte beraubt, meine Energie lähmt, meine Sinne bricht und mich zur Last für mich selbst und die anderen macht.

00:10:50: Seit Jahren habe ich mir das Versprechen gegeben, das siebzigste Lebensjahr nicht zu überschreiten.

00:10:56: Ich habe die Lebenszeit für meinen Abschied aus dem Leben längst bestimmt und die Ausführung meines Entschlusses vorbereitet, nämlich eine Einspritzung von Zyankali.

00:11:08: Ich sterbe mit höchster Freude, die mir die Gewissheit bereitet, dass die Sache, die ich in forty-fünf Jahren meines Lebens gewidmet habe, in nicht allzu ferner Zeit triumphieren wird.

00:11:22: Es lebe der Kommunismus, es lebe der internationale Sozialismus.

00:11:28: Die Beerdigung fand in Paris statt.

00:11:31: Fünfzehntausend Menschen zogen mit den Sergen der beiden, also Paul und Laura, zum Friedhof Perler-Schäes.

00:11:42: Also das ist ein gemeinsamer Suizid.

00:11:45: Beide hatten beschlossen, den gemeinsam zu begehen.

00:11:48: Und es ist eben bemerkenswert und spricht eben für die große, große Vernetzung der beiden.

00:11:54: dass einer der engen Vertrauten von Marx und Engels, der Buchhändler Wilhelm Packer am Grab sprach, Eduard Vaillant, Jean-Louis Dupreux, Gäst und Jaurès für die sozialistische Partei Frankreichs, Karl Kautzky für die SPD, Tierhardy für die Labour Party.

00:12:14: Zugegen waren auch für die russischen Sozialrevolutionäre Rubanovic und Alexandra Kolontei ebenso Lenin.

00:12:24: für die Sozialdemokratie-Arbeiterpartei.

00:12:28: Lenin erklärte Lafarg zu einem der begabtesten und gründlichsten unter denen, welche die Ideen des Marxismus verbreiteten.

00:12:37: Nachüber gab es auch eine kleine Diskussion.

00:12:40: Manche später dann Kollakovsi meinte, dass Lafarg eher so eine Art durchschnittlich begabter Marxist gewesen sei.

00:12:51: Er spielte eine große Rolle für die Zeitgenossen.

00:12:54: Der Freitod der beiden, also von Paul und Laura, der war durchaus strittig, also Franz Meering, sprach sich ganz kritisch dagegen aus.

00:13:05: Denn mehr als je gilt, so schreibt er von dem Proletarischen Emanzipationskampf, dass der Dienst der Freiheit ein strenger Dienst ist, der auch dem Reich mit Lorbeeren geschmückten Veteranen nicht gestattet.

00:13:19: seinen Posten zu verlassen.

00:13:21: Naja, Lenin sah es anders, er sagt seiner Frau Grubskerja, die Lafargs haben mir imponiert.

00:13:30: Wenn man nicht mehr für die Partei arbeiten kann, so muss man der Wahrheit ins Gesicht blicken und so sterben wie die Lafargs.

00:13:44: Ja, das Buch oder das Büchlein Das Recht auf Faulheit ist eigentlich eine Art Pamphlet und sehr sakastisch, ironisch.

00:13:53: Ich glaube, vieles muss man verstehen als eine Art ironische Haltung gegenüber der Arbeiterklasse, denn vieles ist auch ganz kritisch.

00:14:04: Und der Fark wirft der Arbeiterklasse immer wieder vor, der Arbeit hinterherzulaufen.

00:14:10: und damit die Bourgeoisie in die Lage zu bringen, faul zu sein.

00:14:15: Das heißt, er trete es sehr paradoxo, dass die Arbeiterklasse eigentlich an den Entwicklungen in einer gewissen Weise schuld ist.

00:14:24: Aber man kann sagen, dass er letztlich auch wirklich der Ansicht ist, die könnten ja einfach mal die Revolution machen.

00:14:32: Und dann wären die Verhältnisse anders und die Buchweise wäre eben dann nicht so freigestellt von körperlicher Arbeit und frei für die Genüsse, die sie zerstören, sondern auch die Arbeiter hätten diese Möglichkeit, den Genuss zu finden und entspannter zu sein.

00:14:52: Aber das wird gleich noch deutlicher.

00:14:54: Wenn man vom Recht auf Arbeit, spricht so, versteht, lafarg sein Pamphlet als eine Kritik an dieser Forderung nach Recht auf Arbeit.

00:15:07: Und das wendet sich auch ausdrücklich gegen die Forderung der revolutionären Arbeiterbewegung vom Juni, Unter der Hand auch eine Kritik an Marx.

00:15:22: Denn Marx hatte in seinem Buch über diese Phase, das Buch heißt Klassenkämpfe in Frankreich, eben dieses Recht auf Arbeit verteidigt als Formel, worin sich die revolutionären Ansprüche des Proletariats äußern.

00:15:41: Zwar ein frommer Wunsch, Ja, also erhielt es selbst nicht in dem Sinne für realistisch, aber wie er sagt, es ist immerhin mit der Vorstellung verbunden, die Gewalt über das Kapital zu erlangen.

00:15:56: Auch jemand wie Fourier sprach sich für das Recht auf Arbeit.

00:16:03: und zwar noch stärker, also jetzt ganz normativ, als das erste natürliche Recht.

00:16:11: Wenn man jetzt Recht auf Arbeit so betrachtet, dann könnte man sagen, na ja, das ist eigentlich häufig verstanden worden als eine Nicht nur irgendwie eine Metapher für die, wenn man so will, Rechte der lohnarbeitenden Menschen, sondern es war eben gemeint als ein Rechtsanspruch und kam auch so... in Frankreich eben vor der Juni-Revolution in die Verfassung und wurde dann von dem Bürgertum nach der Niederschlagung des Juni-Aufstands wieder aus der Verfassung herausgenommen.

00:16:50: Es hat eine eigene lange Geschichte diese Forderung, also in der Weimarer Republik galt in Artikel Hundertsechzig ein Recht auf Arbeit.

00:17:02: Jedem Deutschen soll die Möglichkeit gegeben werden, durch wirtschaftliche Arbeit seinen Unterhalt zu erwerben, also genau genommen eine Staatsaufgabe, den Menschen Arbeit zu verschaffen.

00:17:16: Dann auch in der hessischen Landesverfassung wird das vertreten, jeder hat nach seinen Fähigkeiten ein Recht auf Arbeit und unbeschadet seiner persönlichen Freiheit, dann eben auch die sitzliche Pflicht zur Arbeit.

00:17:32: Also hier gibt es gewissermaßen mit dem Recht auf Arbeit auch eine Art Zwang.

00:17:38: zur Arbeit, also der Staat hat eben auch dafür zu sorgen, dass diese Pflicht eingehalten wird.

00:17:45: Klar, sie ist siddlich gemeint, aber also insofern eine ethische Dimension, aber man kann sagen, das wird dann auch als eine Aufgabe betrachtet.

00:17:55: Im DDR-Verfassung in Artikel, Vierundzwanzig, hieß es, jeder Bürger der DDR hat das Recht, auf Arbeit.

00:18:04: In der bundesdeutschen Verfassung wird das nicht kodifiziert.

00:18:09: Es gibt da kein Recht auf Arbeit.

00:18:12: Das war auch immer wieder eine Kritik am Grundgesetz.

00:18:16: Aber damit geht ein Heer, dass es eben auch keine Pflicht zur Arbeit gibt, sondern eben gewährleistet ist die freie Berufswahl, so dass jeder und jede sich da frei entscheiden können, in welcher Weise sie berufstätig sein wollen.

00:18:34: Man kann natürlich sagen, sozial philosophisch gibt es noch eine ganz... andere Ebene der Diskussion, also dieses Recht auf Faulheit zu vertreten, eben gar nicht im Sinne eines Rechtsnorms.

00:18:48: Da denke ich jetzt an Adorno, der in den Minimum Moralia in einem aper-sus formuliert, also erwendet er sich gegen das sozialdemokratische Schaffensideal, produktiv zu sein, männlich zu sein, immerzu tätig zu sein.

00:19:07: Und dagegen setzt er eigentlich mit einem Pathos, was durchaus Lafarg entspricht, ohne sich auf ihn zu beziehen, setzt er dagegen nichts tun, wie ein Tier auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schauen.

00:19:24: Sonst nichts.

00:19:25: Also das ist sozusagen die Alternative.

00:19:28: Man könnte sagen, dass Adorno da den Geist von La Fargue ganz gut trifft, aber gleichzeitig überhaupt nicht die hedonistische Komponente von La Fargue vor Augen hat.

00:19:40: Also, wenn man im Umfeld der kritischen Theorie dann weiter schaut, könnte man sagen, Herbert Marcuse entspricht dem sehr viel mehr.

00:19:48: Also genau diese Art von hedonistischer Emanzipationsvorstellungen, die einhergeht mit Form der Begriffen von Lafarg, der freien Liebe, des Genusses von Wein und Essen.

00:20:03: Also, dass Lafarg immer wieder die großen Mägen, die großen Feste

00:20:10: beschwört,

00:20:10: die eben eine lange Tradition des Volkes verkörpern.

00:20:21: Ich finde, das Buch von Lafarg Es ist eigentlich so, dass man manchmal denkt, es hat bestimmte Aspekte, die ganz zeitgenössig sind, weil er trifft einen Geist, den wir jetzt in jüngerer Zeit auch immer wieder erleben, wenn es... Diskussionen über die Frage der Rente gibt, diese Formulierung wie den Gürtel enger schnallen.

00:20:44: oder wir können uns es nicht leisten, dass Menschen so eine große Rente bekommen oder Bürgergeld beziehen, also das Lafarg da sehr energisch argumentiert und eben deutlich macht, dass die Moral der Bourgeoisie genussfeindlich ist und eigentlich die Vorstellung hat, dass Menschen leiden sollen.

00:21:10: Das widerspricht der frühen Erfahrung des Bürgertums, also in der Zeit, in der das Bürgertum selbst revolutionär war, nämlich eben sich gegen Religion gewendet hat und durchaus auch für den Genuss argumentiert hat, also wenn man an die französische Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts denkt, aber jetzt eben den Lohnarbeitern Enthaltsamkeit predigt und deren Bedürfnisse auf ein möglichst geringes Niveau senken will.

00:21:44: Also und da auch eine große Kälte zeigt, also wie wir ja in Deutschland erleben, mit den geschätzt zehn Millionen Menschen, die als Minijopper oder Aufstocker leben und oft nicht wissen, wo sie das am Ende des Monats ihren Unterhalt herbeziehen oder wenn man an die USA denkt mit vierzig Millionen Menschen, die abhängig sind von Ernährungsbeihilfen der amerikanischen Regierung und wenn es dann zum Budget auseinandersetzung kommt, genau das nicht bekommen.

00:22:16: Also Ernährung, Wohnen, Gesundheit, der Lohnabhängigen sofort von Seiten der Burchweißie genutzt wird, um diese Klasse zu depravieren, also zu berauben und in schwierige Situationen zu bringen.

00:22:35: Genau genommen eben ein Teil der Tränen für die Arbeiter.

00:22:40: Und das ist etwas, was Lafarg immer wieder betont.

00:22:43: Man merkt auch ein bisschen seinen medizinischen Hintergrund, dass er immer wieder den körperlichen Zustand der loanabhängigen Betont, also ihre körperliche Schädigung, die schwindende moralische Kraft, die Energie, also dass er dann auch davon spricht, dass die Menschen durch die viele Arbeit von zwölf, vierzehn, fünfzehn, sechzehn Stunden am Tag und das möglicherweise sechs oder sieben Tage die Woche, dass es sie eben krank macht, erschöpft und ihre Lebenserwartung trastig senkt.

00:23:18: Er behandelt das in einer gewissen.

00:23:20: Ich habe dir schon angedeutet, dass die Arbeiterklasse regelrecht süchtig ist.

00:23:28: Nach Arbeit, dass sie die Arbeit liebt und bis zur eigenen Erschöpfung ihre Lebensenergie für diese Arbeit einsetzt.

00:23:39: Die Arbeit in der gewissen Weise heilig gesprochen ist.

00:23:45: Auch eine interessante Frage, weil mit dieser Art Lafarg tatsächlich die Tradition der Arbeiterbewegung trifft und auch bis hin zur Überlegung bei Marx, könnte man sagen.

00:23:58: Das ja Marx in den Ausarbeitungen zum Bandtrei des Kapitals, die so noch nicht vorlagen.

00:24:07: Die Vorstellung hatte das Reich.

00:24:09: der Freiheit soll so ausgedehnt werden, dass das Reich der Notwendigkeit eben die Arbeit immer weiter zurückgetränkt würde, aber gar nicht die Vorstellung hat, dass eben die Arbeit als solche aufhört.

00:24:24: Es gibt aber bei Marx dann auch schon so Formulierungen, die ganz positiv im Verhältnis zum Arbeitsbegriff sind, also Arbeit als erstes Lebensbedürfnis.

00:24:35: Und genau genommen kann man jetzt hier Lafarg als jemand erst mal verstehen, der Arbeit und den Fetigarbeit, den Fetigleistungsverausgabe ganz grundsätzlich kritisiert und sich für einen Hass gegen die Arbeit stark macht, also die Arbeit, wie er schreibt, als schlimmstes Klaverei bezeichnet.

00:25:01: Und gegen die Tradition, die ja in der Antike repräsentiert sieht, also körperliche Übungen, also Sport, Faulheit, Spiel des Geistes, Philosophie, Literatur, dass das eben zentral ist und die Arbeit, die körperliche Arbeit verachtet wird.

00:25:22: wäre die Arbeit etwas Positives für das eigene Leben, dann hätte das die, wo ich weiß, sie sicherlich nicht den Arbeitern überlassen.

00:25:33: Also, ganz grundsätzlich ist Pledoyer für die Faulheit und die Vorstellung, dass das Proletariat die Aufgabe hat, für sich und die Menschheit sich von der knächtigen Arbeit zu befreien und das... menschliche Tier zu einem freien Wesen zu entwickeln.

00:25:56: Seine Haltung dazu ist, dass die Arbeiter sich eben haben verführen lassen von den Moralisten, von den Ökonomen, von Priestern, die eben das Lob der Arbeit singen und sich dann darauf einlassen, dass es eben um Wachstum geht, um Wettbewerbsfähigkeit.

00:26:14: Also Wachstum ist auch ein Wort von Lafarg, während Wettbewerbsfähigkeit in dem Text keine direkte Rolle spielt.

00:26:22: Man könnte jetzt sagen, dass Lafarg da was wichtig es anspricht, wenn er die Arbeit so angreift, dass man natürlich sagen kann, ja, warum lassen sich die Arbeiter tatsächlich darauf ein?

00:26:34: Natürlich, ohne dass sie arbeiten und Lohn erhalten, können sie sich keine Waren kaufen, keine Miete zahlen und so weiter.

00:26:44: Aber Lafac trete es ja eigentlich in eine interessante Richtung, weil er ja damit deutlich macht, ja, das müsste ja nicht sein.

00:26:51: Die Arbeiter, warum lassen sie sich das gefallen?

00:26:54: Und diese Fetigarbeit eben wie eine Art Konsens funktioniert, ja, dass sie eben die Arbeit lieben und sich damit eben alles Mögliche gefallen lassen, eben diese zwölf Stunden, vierzehn Stunden.

00:27:09: Zwangsarbeit, die Herabwürdigung, die mit der Arbeit verbunden ist.

00:27:14: Die, wie er sagt, auch Schande, die Arbeit dann über sie bringt, die Entwürdigung, die körperliche Deprivation.

00:27:23: Kritisch ist er dann auch gegen Schriftsteller wie Auguste Comte oder Victor Hugo, von denen er sagt, dass sie eigentlich besoldete Schriftlarkeilen der Burchweißie sind, die eben den Fortschritt loben, die Arbeit loben, anstatt eben die Allgemeinheit des Klücks.

00:27:42: Was la Farg, wenn man das jetzt so formulieren will, betont ist, dass eben die Produktion durch die Sucht der Arbeiter, also ein bisschen eine vertrete Argumentation, durch die Arbeitssucht der Arbeiter die Produktion immer umfassender wird, immer mehr Güterausstoß stattfindet und damit eben auch Krisen einhergehen.

00:28:06: Also es kommt zu immer mehr Produkt, genau genommen konsumiert die Arbeiterschaft nicht ihr eigenes Produkt, sondern dieses Produkt besteht im Überfluss und dann können die Kapitaleigentümer dieses Produkt nicht mehr verwerten.

00:28:22: Das heißt, ihre Gewinne sind nicht so, dass sie die Rohstoffe wiederum ersetzen können.

00:28:27: Und dann kommt der ganze Prozess zum Stocken.

00:28:30: Und dann setzt ein Prozess ein, mit dem Kapitalisten dazu übergehen, Waren zu exportieren und Finanzmarktakteure suchen, bei denen sie dieses überschüssige Kapital hinterlegen können.

00:28:46: Also das heißt, es kommt zu einer Überproduktionskrise.

00:28:49: auf der einen Seite zu einer Unterkonsumtionskrise, auf der anderen Seite.

00:28:54: Also das ist sozusagen die Zuspitzung, die Lafarg in diesem Prozess sieht.

00:28:59: Und eine seiner Ideen ist, dass eben die Arbeiterschaft ihr Produkt selber konsumieren können muss.

00:29:08: Eine der möglichen Lesarten, die ist auch relevant, aber Lafarg hat noch eine weitere interessante Überlegung, dass er nämlich sagt, na ja, wenn man sich das anschaut, Dann hat die bürgerliche Klasse eine bestimmte Art von gesellschaftlicher Arbeitsteilung geschaffen, dass sie nämlich eben eine Vielzahl von Bediensteten braucht, die eben an dem Konsum teilnehmen.

00:29:36: Ja, also und das sind Bedienste, die für die persönlichen Dienstleistungen zuständig sind.

00:29:41: Da kommt dafür England auf eine Zahl im Jahr achtzehntel von über eine Million, also fast so viel wie.

00:29:49: ganzen Bereich des herstellenden Gewerbes, durchs Produktionsbereich, wo es vielleicht ungefähr eine Million Menschen beschäftigt sind.

00:29:59: Und dass er sagt, na ja, dann kommen noch die ganzen Beamten dazu, die Soldaten, die eine Reihe von Funktionen, wie die der Polizei, sodass er sagt, na ja, eigentlich sind das ja alles überflüssige Tätigkeiten.

00:30:13: Und wenn man jetzt sich das überlegt, dann könnte man sagen, alle diese Menschen könnten teil der Gesellschaft sein, die arbeitet.

00:30:23: Und das würde erlauben, ganz grundsätzlich die Arbeitszeit für alle drastisch zu reduzieren.

00:30:30: Für ihn ist eine orientierende Zahl drei Stunden am Tag.

00:30:36: Dieses Argument verbindet er noch mit einem weiteren Argument, das kann man auch bei Marx in Kapital eins finden, dass er sagt, ja, die Maschine ist eigentlich ein Moment der Freiheit, weil die Maschine erleichtert den Menschen die Arbeit und ist hochproduktiv, kann ja in Vielfaches dessen erzeugen, was Menschen mit ihren Händen leisten, also jedenfalls in vielen Fällen.

00:31:01: Und für ihn stellt sich die interessante Frage, wieso wird eigentlich aus einem Mittel der Freiheit, ein Mittel zum Zwang der Unterwerfung der Arbeiter, sodass mit jeder Maschine eben immer noch mehr und umfassender gearbeitet werden muss.

00:31:18: Und das führt ihnen eben genau auch dazu zu sagen, die Arbeiter müssen sich diese Maschinen aneignen, diese Produktivkraft und zu ihren Gunsten nutzen.

00:31:31: Also das ist sozusagen eine vielfache Emanzipationsperspektive, wenn man so will, anderer Konsum weg vom Kapital- und Waren-Export, neue Nutzungen von technologischen Entwicklungen.

00:31:45: Und was aus meiner Sicht vielleicht der wichtigste Punkt ist, eine Veränderung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, sodass die Gesellschaft insgesamt über die Tätigkeiten in anderer Weise bestimmt als durch den Zwang der Kapitalfamilierung.

00:32:09: Diese persönlichen und gesellschaftlichen Leiden, so groß und unzählbar sie auch sind, so ewig sie auch erscheinen mögen, werden verschwinden wie die Hyänen und die Schakale beim Herannahmen des Löwen, sobald das Proletariat sagen wird, ich will es.

00:32:26: Aber damit ihm seine Kraft bewusst wird, muss das Proletariat die Vorurteile der christlichen, ökonomischen und liberalistischen Moral mit Füßen treten.

00:32:36: Es muss zu seinen natürlichen Instinkten zurückkehren.

00:32:39: muss die Faulheitsrechte ausrufen, die tausendfach edler und heiliger sind als die schwintsüchtigen Menschenrechte, die von den übersinnlichen Anwälten der bürgerlichen Revolution wiedergekäut werden.

00:32:52: Es muss sich zwingen, nicht mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten, um den Rest des Tages und der Nacht müßig zu gehen und flott zu leben.

00:33:03: Aber das Proletariat zu überzeugen, dass die zügelose Arbeit, der sich seit Beginn des Jahrhunderts ergeben hat, die schrecklichste Geisel ist, welche je die Menschheit getroffen, dass die Arbeit erst dann eine Würze der Vergnügungen der Faulheit, eine demenschlichen Körper nützliche Leidenschaft sein wird, wenn sie weiße geregelt und auf ein Maximum von drei Stunden täglich beschränkt sein wird, das ist eine Aufgabe, die meine Kräfte übersteigt.

00:33:32: Nur Ärzte, Fachleute für Gesundheitsvorsorge und kommunistische Ökonomen können sie unternehmen.

00:33:46: Kleine Buch von Paul LaFarck, das Recht auf Faulheit.

00:33:50: Begrüße ich Stefan Lesse nicht.

00:33:52: Hallo Stefan.

00:33:53: Hallo,

00:33:53: grüß dich Alex.

00:33:54: Ja, ich freue mich, dass du hier bist.

00:33:56: Du hast ja eine Reihe von Stationen an Universitäten hinter dir.

00:34:01: Also du hast in Jena Soziologie gelehrt, dann in München, jetzt in Frankfurt am Main.

00:34:07: Du bist dort auch Direktor des Instituts für Sozialforschung seit year.

00:34:13: Ja und zu deinen Publikationen vielleicht.

00:34:16: einige von den vielen, was jetzt für die kapitalismuskritische Diskussion im Titel wichtig ist, Soziologie, Kapitalismuskritik mit Klaus Dörre und Hartmut Rosa, Anfang der zweitausender Jahre.

00:34:34: Dann die Grenzen der Demokratie und zuletzt nicht mehr normal, Gesellschaft am Rande des Nervenzusammenbruchs.

00:34:45: Der Paula Farg führt er uns auch an den Rand eines anderen Nervenzusammenbruchs, wenn er so radikal für Recht auf Fauldheit plädiert.

00:34:55: Das ist ja auch für die heutige Linke eine durchaus ungewöhnliche Forderung.

00:35:01: Absolut.

00:35:04: Ich würde schon sagen, dass natürlich eine loanarbeitszentrierte Gesellschaft in der alle auf Erwerb gepult sind und seien müssen, weil sie ihren Lebensunterhalt bestraten müssen, ihre Materiellexistenz sichern müssen.

00:35:18: Da ist die Forderung nach dem Recht auf Faul hatten natürlich etwas, was diese Gesellschaft nervös macht.

00:35:24: Und ich meine, wir haben ja eine ganze Reihe an wichtigen politischen Persönlichkeiten in der Geschichte der Bundesrepublik, die genau das auch bestritten haben.

00:35:35: Also Gerhard Schröder ist ja bekannt geworden mit seiner Swada gegen Faulheit und faul arbeitslose, faule Lehrer, Lehrerinnen.

00:35:43: Das hat Tradition und ich glaube, das Recht auf Faulheit zu fordern, zielt ins Herz dieser Gesellschaft.

00:35:49: Ja, und wir haben ja jetzt auch gerade die jüngsten Debatten über das Bürgergeld und die Frage der Rente.

00:35:57: Und da heißt es ja dann mit Setzen, die ja auch bei La Farg schon vorkommen.

00:36:02: Ja, also Gürtel enger schnallen, die Wirtschaft muss wachsen.

00:36:06: Also es sind ja eigentlich seit hundertfünfzig Jahren die immer gleichen Sätze und immer

00:36:11: die gleichen

00:36:12: Aufforderungen.

00:36:13: So ist es.

00:36:13: Also die jüngste Debatte ist dieselbe wie die uralten Debatten.

00:36:17: Im Grunde genommen in der gesamten Geschichte der Armutspolitik, der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, wird immer unterschieden in würdige, unwürdige Arme, die unwürdigen sind.

00:36:27: die nicht arbeiten, sich nicht selber versuchen, über Wasser zu halten, die dann also mit Entwicklung des Wohlfahrtsstaats auch von öffentlichen Sozialleistungen abhängig sind.

00:36:36: Und die sind seit Jahrzehnten immer wieder, da kann man die Konjunkturen ohne weiteres Nachzeichen stehen, immer wieder unter Druck und im Fokus und ihnen wird immer wieder vorgeworfen, dass sie nicht genug tun, dass sie nicht arbeiten wollen und dass man sie mal bitte härter an die Kandare nehmen möge.

00:36:53: Weißt du, aber wenn man jetzt lafark, also wir würden ja vielleicht heute auch von links her dann sagen, okay, eine Verbesserung der Rentensituation, der Erleichterung und so weiter, aber eigentlich würde ja an der Grundidee des sozialstaatlichen Versorgungsanspruchs ja gar nicht so sehr gerettelt werden.

00:37:14: Interessant an La Fague ist ja eigentlich, dass er da viel radikaler ist, weil er ja sagt letztlich, drei Stunden am Tag arbeiten und ansonsten Hedonismus essen, trinken, sich lieben, nachdenken und so weiter, also gar nicht mit Rechte erwerben.

00:37:32: Also so ist ja sehr viel weitergehen

00:37:34: da noch.

00:37:34: Ja, wobei man sich natürlich überlegen müsste, wie der Lebensunterhalt gesichert wird und wie das gesellschaftlich verteilt und umverteilt wird.

00:37:41: Aber das finde ich das wirklich interessant an La Fargue, weil er ist auf den ersten Blick radikal, auf den zweiten Blick nicht mehr ganz so radikal.

00:37:49: und auf den Dritten wieder enorm radikal.

00:37:51: Weil man könnte sagen, seine Forderung... Also, wie gesagt, Recht auf Faulheit zielt, wie gesagt, ins Herz der Vergesellschaftungsform der kapitalistischen Formation, die lebt von Produktivität, von Produktivismus auch, die lebt von der ständigen Verwertung nicht nur des Kapitals, sondern eben dann auch des Arbeitsvermögens potenziell aller.

00:38:13: Und dort das Recht auf Faulheit zu fordern, geht konträr gegen die Akkumulations- Logik und überhaupt gegen die Reproduktionslogik dieser Gesellschaft.

00:38:22: Dann stellt man fest, naja, es geht ja eigentlich um Arbeitszeitverkürzung, um allgemeine Arbeitszeitverkürzung durch die Bank.

00:38:30: Alle arbeiten weniger.

00:38:31: Dann geht es aber um radikale Arbeitszeitverkürzung.

00:38:33: Nicht die fünfunddreißig Stundenwoche, nicht die dreißig Stundenwoche, nicht die vier Tage Woche, sondern der drei-Stunden-Tag, wenn man das jetzt sagt.

00:38:41: sagen wir mal fünf Tage die Woche, oder selbst wenn sieben wären, dann wären das mal maximal zwanzig Stunden.

00:38:46: Und das ist wiederum schon eine radikale Forderung, weil hier ist natürlich implizit zumindest die Überlegung, dass natürlich auch mit den zwanzig Stunden alle sich ohne weiteres gesellschaftlich reproduzieren können, materiell reproduzieren können und dass wir dann eine Gesellschaft haben, in der viel Zeit für anderes vorhanden ist, jenseits der unmittelbaren materiellen Reproduktion.

00:39:07: Genau, also ich würde noch einen Gesichtspunkt hinzu zufügen, der aus meiner Sicht wirklich aufregend ist, dass er argumentiert eine radikal neue Arbeitsteilung.

00:39:19: Also, der hat ja immer diese paradoxe Logik.

00:39:21: Die Arbeiterklasse zwingt die Bourgeoisie eigentlich so produktivistisch zu sein, weil die Arbeiter wollen unbedingt Arbeit und die wollen noch mehr arbeiten und zwingen die Bourgeoisie, dass sie eben dann produzieren müssen und ganz viel überkonsumieren und so weiter.

00:39:39: davon will der Fag eigentlich weg und dazu gehört, dass die Bücher sie eben diese riesige Menge von Dienstleisten um sich herum organisiert.

00:39:52: Also die Ökonomen, die persönlich bediensteten, die Polizei, das Militär.

00:39:57: und jetzt sagt der Fag, alle die könnten eigentlich Teil der gesellschaftlichen Arbeit sein.

00:40:04: Womit er sagt, Polizei, Militär ist nicht.

00:40:07: Gesellschaft nicht nützliche Arbeit.

00:40:10: Wir könnten das alles völlig neu verteilen, auch die persönlichen Dienstleistung.

00:40:14: Dann hätten wir ein riesiges Potenzial.

00:40:17: Und das verteilen wir anders.

00:40:19: Und das ist ja eine sehr radikale

00:40:21: Forschung.

00:40:21: Absolut.

00:40:22: Wobei ich eher sagen würde, dass es ein Wechselseitiges Zwangsverhältnis ist.

00:40:26: Und das ist natürlich kritisch-theoretisch total interessant.

00:40:29: Also sagt jetzt die Arbeiterinnen ja mit ihrer Lust an der Arbeit, ja mit der Arbeit als Religion, ja und als das unbedingte Lebenselixier, zwingen geradezu die Bushwasie, ihre Arbeit dann auch zu verwerten.

00:40:44: Gleichzeitig stehen sie natürlich unter dem Regiment, der Lohnarbeit und dem Zwang, sich über Lohnarbeit erstens zu vergesellschaften und zweitens zu reproduzieren.

00:40:53: Und insofern ist es eigentlich ein wechselseitiges Zwangsverhältnis.

00:40:56: Also wechselseitig wird erwartet, dass Lohnarbeit zur Verfügung gestellt wird und dass sie erbracht wird.

00:41:03: Also das ist dieser wechselseitige Zwang.

00:41:05: Und dann natürlich die Überlegung, dass das, was gesellschaftlich notwendige Arbeit wäre, eben in sehr viel weniger Zeit mit sehr viel weniger Arbeitseinsatz zu erwirtschaften.

00:41:16: zu produzieren wäre und dass dann eben einiges übrig bleibt, was nicht nötig wäre, was weg kann.

00:41:22: Das ist ja wirklich total interessant, weil es dann jenseits dieser vielleicht eher formal klingenden Formel von drei Stunden Arbeit am Tag eine wirklich radikal veränderte Arbeitsteilung und Arbeitsgesellschaft auch bedeuten wird.

00:41:34: Eigentlich sagt er ja das, was wir in den letzten Jahren auch hatten.

00:41:37: Bullshit.

00:41:38: Jobs.

00:41:39: Ganz viele Tätigkeiten könnten einfach weg.

00:41:43: Niemand würde sie am Ende wirklich vermissen, wenn sie anders eingebunden wären, in die Möglichkeit sich zu reproduzieren.

00:41:52: Absolut.

00:41:54: Man muss nur von Frankfurt nach Berlin im ICE fahren.

00:41:57: Da kann man die Hälfte des Waggons für Bullshit-Jobber erklären.

00:42:02: Man hört es ja dann bei den entsprechenden Telefonaten, wo dann der Arbeitsplatz Tisch eröffnet wird und dann werden die absurdesten Marketinggespräche geführt.

00:42:13: oder Human Resources werden da irgendwie organisiert.

00:42:18: und da fragt mich sich schon, was treiben die Leute eigentlich und wofür ist es gut?

00:42:21: Also eigentlich für nichts, sondern ist sogar schlecht.

00:42:24: Es produziert gesellschaftliche Verhältnisse, die entwürdigend sind im Grunde genommen auch für die Personen selber, die da agieren.

00:42:31: Sie merken es nur nicht.

00:42:33: Ja, das ist ja auch erschildert, das ist ja auch sehr ironisch, wenn er sagt, na ja, dann gibt es so viel Waren, da müssen dann Märkte gefunden werden, in die das exportiert werden kann, sodass jeder schwarze dann auch noch eine Hose kriegt.

00:42:47: Also der Weltmarkt wird eben erschlossen, um alle diese völlig unproduktiv sinnlos hergestellten Güter dann an die Leute zu bringen.

00:42:57: Auf jeden Fall.

00:42:57: Ich meine, da müsste man noch ein bisschen mehr über das System der Bedürfnisse sprechen.

00:43:02: Aber das ist natürlich die eine Seite der Diagnostik, eine Überproduktion von Müll eigentlich, der irgendwie an den Mann und die Frau unter dritte Geschlecht gebracht werden muss, die es nicht bräuchte, die es eigentlich für niemanden bräuchte.

00:43:14: Das ist es eine.

00:43:16: Der Markt, ja, könnte man sagen, produziert eigentlich ständig Überschuss, der irgendwie konsumiert werden muss.

00:43:23: Und das ist so eine Eigenlogik der Konsumgesellschaft letztlich und der Dienstleistungsgesellschaft, könnte man auch sagen.

00:43:28: Und andererseits, so hast du die Maschine angesprochen.

00:43:31: Da hat er halt so ein bisschen die klassische auch Vorstellung, na ja, durch die Automatisierung können wir eigentlich alles in der Hälfte oder im Drittel oder vielleicht auch nur ein Tausendstel der Zeit produzieren.

00:43:43: Das heißt, er wird ganz viel frei.

00:43:45: Das ist so eine klassisch auch ein bisschen Technik.

00:43:48: Optimistische Vision.

00:43:51: Ist

00:43:51: es nicht auch realistisch?

00:43:53: Ich finde, lebensgeschichtlich war das für mich so.

00:43:56: Also dann kaufe ich mir den Computer, weil ich denke, okay, das schafft mir ganz viel freie Zeit, um anders zu schreiben.

00:44:07: Und dann kommt aber so eine Dynamik rein, die ja für unsere Gesellschaft, glaube ich, sehr charakteristisch ist, dass man Diese freiwertende Zeit eben füllt mit immer mehr Arbeit.

00:44:19: Absolut.

00:44:20: Und

00:44:20: das ist ja etwas, was er auch beschreibt, wie aus einem Mittel der Freiheit ein Mittel für neue Bindung und Selbstzwangen wird.

00:44:30: Und das hat natürlich.

00:44:31: Das wählt man ja teilweise gar nicht freiwillig, sondern es ist karrierebedingt.

00:44:36: Es ist eine Frage des Einkommens, der Präsenz auf einem bestimmten Markt.

00:44:41: Naja,

00:44:41: das ist halt das Tolle an dieser Gesellschaft und Fatale.

00:44:43: Das ist so freiwillig, unfreiwillig.

00:44:46: Ja, unfreiwillig, freiwillig ist, dass da wirklich die unterschiedlichen Dynamiken ineinander ergreifen.

00:44:51: Und ja klar, heute würde man wahrscheinlich sagen, das sind die Rebound-Effekte der Produktivitätsgewinne und der potenziellen Arbeitseinsparungen, de facto.

00:45:01: Unter dem Strich kommt dabei raus.

00:45:03: Je mehr Arbeit eigentlich eingespart werden könnte, umso mehr wird jetzt für Bullshit-Jobs oder für neue Märkte oder neue Produkte, umso mehr wird wieder reinvestiert quasi in den Prozess.

00:45:14: Und das ist ähnlich wie bei der Frage, warum produzieren die, was es sich, weniger Spritkostenden Autos, nicht auch weniger Emissionen, weil die Leute dann mehr fahren oder ein zweites Auto haben oder Ähnliches.

00:45:28: Oder schwerer sind, genau wegen Märkte.

00:45:30: vor.

00:45:30: Also das ist schon interessant und es ist aber ja eine Jahrhunderte alte Vorstellung, dass Automatisierung Arbeit sparen könnte.

00:45:38: und seltsamerweise ist so, dass sozusagen dieser Umschlag des potenziellen Arbeitssparns in der realen Arbeitszeitverkürzung oder Minderproduktion nicht passiert.

00:45:47: Ja, aber das ist ja etwas, was Marx auch schon thematisiert, die Maschine als Kampfmittel der Burg für Sie, um genau diesen Aspekt der Freiheit wiederum wegzunehmen.

00:45:58: Aber ich finde, es gibt noch einen anderen Aspekt, den du ja jetzt auch schon angesprochen hast, mit Rebound-Effekt.

00:46:04: Also, dass Lafarg darauf gar nicht eingeht.

00:46:08: Also, aus seiner Sicht wären wir, selbst wenn wir ihnen in allem zustimmen würden, vielleicht einfach doch unglaublich Früde oder bohrniert, weil wir sagen würden, also das, was er so hedonistisch betont, trinken, essen, der große Magen, dann spielt er so auf Rabelet, also die großen Schlemmereien.

00:46:29: Und ich lese das und denke dann, naja, aber wer will so viel Fleisch essen?

00:46:34: Wer will so viel Alkohol trinken?

00:46:37: Das heißt, was sind die Folgen einer solchen Ernährung, einer solchen Landwirtschaft, die das erzeugt?

00:46:43: Und diese Dimension die taucht bei ihm gar nicht auf.

00:46:47: Genauso, ich meine, was du jetzt mit rebound ansprichst bei Maschinen.

00:46:51: Na ja, das sind Metalle, die aus der Erde geholt werden.

00:46:55: Das ist eine enorme Energieaufwand.

00:46:57: Also, wir sind heute in einer Situation drin, in der wir so viele Folgen dessen überschauen, dass es einem richtig ein bisschen schwer fällt.

00:47:08: leicht und locker hedonistisch zu sein, wie er das in diesem Pamphlet so nahlegt, oder?

00:47:14: Wie geht ihr das?

00:47:15: Absolut, wobei das mit der ökologischen Dimension vielleicht jetzt auch ihm zu verteilen ist unter den damaligen Umständen.

00:47:23: Aber heute wäre das natürlich mit das erste, was aus einer kritischen Gesellschaft, an der dünischen Perspektive mit eingebracht werden würde.

00:47:30: Aber ich meine, warum sollte er da zu seiner Zeit, vor hundertvierzig Jahren, warum sollte er da schon weiter gewesen sein, als heutige Technikoptimisten oder Digitaloptimisten, die sagen, jetzt habt ihr noch ganz viel immaterielle Produktion, die irgendwie die Hardware und die Kosten in jedem Sinne ökologisch, energetisch, die die Produzieren eigentlich auch nicht mit einbeziehen.

00:47:52: Ich stimme dir absolut zu.

00:47:53: Ich würde die Frage deswegen auch vielleicht ein bisschen umformulieren, nämlich... Der Hedonismus ist total sympathisch.

00:48:02: Also ich erinnere mich so in meiner Studienzeit, also mit Alfred Schmidt und Helmut Reinige in Frankfurt, Emanzipatorische Sinnlichkeit, dann hieß eine der damals prominenten Kneipen vom revolutionären Kampf mit Gliedern gegründet, Gargantua, also im Anschluss an Rabiläne, also Menüs, drei, vier Gänge, sehr teuer und so.

00:48:26: Und das war so ein Rückgriff auf diese Art von Hedonismus, wie er das vertritt.

00:48:32: Und wo ich sagen würde, na ja, dann zeitgleich entstand die Alternativbewegung, die Ökologie, andere Ernährung.

00:48:41: Und die Frage ist, welche Art von Hedonismus müssten wir entwickeln, um diese Fantasie in die Lafarg so... sich macht oder aufruft für uns, dass es nicht so asketisch, puristisch erscheint.

00:48:57: Weil das ist das, was mich so bei der Lektüre beschäftigt.

00:48:59: Ja, das ist natürlich auch unsere deutsche Lesart.

00:49:01: Also die Deutschen geht jetzt nicht die geborenen Hedonisten und Hedonistinnen und Hedonisten.

00:49:05: Aber das hat natürlich also jetzt nicht nur was von Hedonismus, auch sowas von der Ökonomie der Verschwendung.

00:49:10: Ja, genau.

00:49:10: Also das, was da ist, auch zu verausgaben auf eine Weise.

00:49:15: Und da würde ich sagen, ist natürlich bei einer protestantischen Lesart ja asketisch Lesart des Ganzen, da denkt man natürlich, hm, aber schon wenn wir nach Frankreich gehen oder überhaupt in die katholischen Milieus und Gesellschaften, das sieht es halt schon anders aus.

00:49:30: Da gibt es schon eine kulturelle Nähe zum hedonistischen.

00:49:38: des Buches neben uns die Sinnflut.

00:49:41: Und ich meine, wenn wir, was weiß ich, also die Früchte aus dem globalen Süden beziehen, dann haben wir diese ganzen Transportvorgänge und so weiter, also oder auch der Fleischkonsum.

00:49:55: Und man kann natürlich sagen, es ist ja für uns erstaunlich gewesen, wie in anderen Ländern wie Italien zum Beispiel dann der Zigarettenkonsum.

00:50:05: aus

00:50:06: dem öffentlichen Raum verschwunden ist.

00:50:08: Niemand hätte das erwartet.

00:50:09: oder die Verringerung des Alkoholkonsums.

00:50:13: Niemand hätte das erwartet.

00:50:14: Also das heißt, auch da veränderte... Ich meine, es führt uns jetzt ein bisschen von La Park weg,

00:50:20: aber ich finde diese

00:50:22: Idee des Hedonismus, die finde ich so sympathisch bei ihm.

00:50:25: Ja, und

00:50:26: die Frage

00:50:26: ist doch, ob man Hedonismus konsumistisch denken muss.

00:50:31: Also das kann doch alles mögliche sein.

00:50:33: darf auch für den Autor von Leben und sie sind flut auch ein bisschen Konsumismus dabei sein.

00:50:39: Ja, aber dieser Hedonismus könnte doch einer auch der Freude an ganz anderen Lebens zusammenhängen, anderen Formen der Vergemeinschaft und Vergesellschaftung sein.

00:50:48: Ja, eine Form der Vorausgabung auch von Arbeit, die dann aber eine andere wäre.

00:50:53: Von daher, finde ich, sollten wir das breit denken.

00:50:56: und dass wir bei Hedonismus an Konsumismus denken, ist ja schon irgendwie eine Deformation, die jetzt der Gesellschaft geschult.

00:51:03: es in der wir leben und die davon lebt wiederum in ihren Struktur zusammenhängen, dass wir alle Megakonsumentinnen sind.

00:51:10: Ja,

00:51:10: das ist sehr schön.

00:51:11: Also letztlich ist ja eine der wichtigsten Elemente dieses Hedonismus eine ganz andere Art des Arbeitens, des Zusammenarbeitens, des wenigarbeitens, eine andere.

00:51:23: Eigentlich ist es ein ganz weitreichendes Argument für eine andere Lebensfrage.

00:51:29: Guck

00:51:29: mal, wenn wir die ganze Nacht hier sitzen würden und uns unterhalten würden, über dies und jenes, meinetwegen auch ohne Mikrofone, ich finde das der totale Hedonismus, ich würde aber jetzt nachher denken, ich muss los, ich habe dies oder jenes zu tun, folgende Verantwortung, die gar nicht selbst gewählt ist, außerdem wartet am Montag, was auf mich, das muss ich vorbereiten.

00:51:48: Also ich stelle mir eine hedonistische Gesellschaft nicht als eine konsumistische vor, sondern als eine, wo andere ganz selbstverständlich sind.

00:51:57: Naja, bei Hätonismus und Konsum fällt einem schon solche Bilder ein, wie von diesem Film von Renoir Frühstück im Grünen, glaube ich,

00:52:06: mit

00:52:06: draußen sein unter dem Baum.

00:52:09: Ja, und das hat was anderes als das große Fressen.

00:52:11: Ja, genau, es ist anders.

00:52:13: Naja, das ist ja alles gut und schön, aber wie will man denn da rauskommen mit den real existierenden Subjekten?

00:52:18: Ja, genau.

00:52:18: Ich finde, er kann ja auch nicht vom neoliberalen Subjekt ausgehen, aber selbst Seine Subjekte sind ja die, die Arbeit wollen und die wollen das ja aber auch nicht, weil sie sich das irgendwie überlegt haben, sondern weil sie Teil von der kulturellen Formation sind, ja, einer kulturellen und ökonomischen Formation, wo die Liebe zur Arbeit und die Religion der Arbeit ja nicht vom Himmel fällt, sondern das sind Einflüsse religiöser Natur, ökonomischer Selbstverständ, ökonomischer Zwänge und auch der Einübung in bestimmte Formen der Selbstverständlichkeit, ja, wie Gesellschaft organisiert ist.

00:52:51: Und dann sind die, das sind die Leute, Da, finde ich, gibt er den ein bisschen zu viel Verantwortung mit.

00:52:57: Und meins achten es zu wenig systemisch oder strukturell, dass die Leute auch Gefangene sind, auch in der organisierten Form, also gewerkschaftliche Akteure, auch letztlich Gefangene sind, die verstrickt sind in der ökonomisch-kulturell-politischen Verhältnisse ihrer jeweiligen Zeit.

00:53:14: Ja, er hat, finde ich, nicht so eine wirkliche Antwort.

00:53:17: Das ist so ein bisschen appellativ.

00:53:19: Letztlich ist es in der gewissen Weise, ein Pamphlet, eine Art Publikumsbeschimpfung.

00:53:25: Ich finde, diese Argumentation lesen kommt es mir auch so vor, wie wenn er letztlich eine Art Kritik an Arbeit und Leistung macht als im Konsensprozess.

00:53:38: Warum macht ihr nicht die Revolution?

00:53:40: Warum macht ihr euch so abhängig?

00:53:42: von dieser Art zu arbeiten, von dieser Art, euch durch Hunger bedroht zu sehen.

00:53:48: Ihr könntet doch diese Verhältnisse so radikal ändern, dass morgen das eigentlich schon anders wäre.

00:53:55: Das ist eigentlich ein bisschen auch ein Argument dann in der später, in der älteren kritischen Theorie geworden.

00:54:00: Aber auch bei Habermas gibt es ja solche oder offe solche Überlegungen zu sagen, wir müssen weg von dieser Idee der Leistung, der Leistungserbringung.

00:54:10: Leistung als Maßstab dafür, wie wir in dieser Gesellschaft Mitglieder sind.

00:54:16: Also, dass es von daher auch diese sehr radikale Dimension

00:54:20: hat.

00:54:21: Also, ich finde den Manifest-Charakter dieses Büchleins finde ich ja sehr sympathisch.

00:54:27: Aber er hat natürlich seine Grenzen, nämlich wenn man wirklich die Frage stellt, warum ist es denn so, wie es hier kritisiert wird.

00:54:33: Und das ist jetzt, wie gesagt, nicht so zufällig.

00:54:37: Und klar, ich finde auch der politische Impuls, der dahinter steht, bei Klaus Offen zum Beispiel, hast du gerade erwähnt, die Utopie der Nulloption, also Dinge nicht zu tun, auf Dinge kollektiv zu verzichten.

00:54:48: Das ist heute nicht so gern gehört, dieser Begriff, aber Dinge anders zu gestalten, dabei Optionen nicht zu realisieren.

00:54:55: Das ist natürlich ein Hammer.

00:54:56: Programm, den man unmittelbar zustimmen wollen würde.

00:54:59: Aber ich finde, in seiner Analyse legt Laphac zu wenig Wert darauf, wie gesagt, auf diese Verstrickungsmulti.

00:55:06: Warum ist es denn so?

00:55:08: Ja, warum handelt die Seite der Arbeit so, ja, das ist kapitalfrohlockt, ja, hey, das ist ja wunderbar, spielt uns ja voll Indikaten.

00:55:16: Und ich finde, es gibt, habe ich in meinem damaligen Vorwort, der Laika-Ausgabe auch darauf hingewiesen, einen tollen Text von Adam Chaworski, Capitalism and Social Democracy.

00:55:26: wo er sagt, aha, ja, langer Weg, den die Sozialdemokratie gegangen ist, von dem Punkt, wo sie das Lohnarbeitsverhältnis abschaffen wollte, bis zu dem Punkt, wo sie sagt, es sollen alle ins Lohnarbeitsverhältnis integriert werden, ja, Teilhabe an der Werbsarbeit und so weiter.

00:55:40: Aber letztlich ist

00:55:40: das das Argument von Lafar.

00:55:42: Natürlich, das ist das Argument, genau das ist das Argument.

00:55:44: Aber interessanterweise, weißt du, Adorno lobt zum Beispiel die, also sagt... im Juni, das war die erste verlorene Revolution.

00:55:56: La Farg setzt eigentlich auch da so an, dass er sagt, ja, aber schon die Forderung nach Recht auf Arbeit, das war eigentlich schon die programmierte Niederlage.

00:56:06: Da ist schon eigentlich die Wendung hin zum Sozialreformismus vollzieht sich da, weil genau genommen ist es eine berechtigte Forderung, nämlich wie Marx es formuliert, wir haben Zugriff auf Kapital, aber letztlich Keine Idee, es anders zu machen.

00:56:23: Ich

00:56:24: finde aber nur kurz, ich würde das auch so sehen im Kern, ja, auch als Kritiker der Arbeit, aber ich glaube unter heutigen Bedingungen muss man halt dann nochmal differenzieren, ja, in welchen Bereichen ist das Recht auf Arbeit angemessen, ja, und organisieren wir den Bereich der gesellschaftlichen Notwendigkeit entlang von einem Recht auf Arbeit, nämlich gleicher Teil habe an diesen Arbeitsverhältnissen.

00:56:47: und wo hat das Recht auf Arbeit seine Grenzen, ja, und wo soll es die Struktur haben.

00:56:51: Und da finde ich, natürlich stimmt das historisch, aber jetzt für die Gegenwart würde man glaube ich jetzt unter Verzicht auf das Recht auf Arbeit.

00:56:59: eine ganz schöne Misere produzieren.

00:57:01: Klar,

00:57:02: ich finde, das berührt auch den Status dieser Formelrecht auf Arbeit.

00:57:07: Ist es ein Rechtsverständnis?

00:57:09: Also klar, es soll ein Recht sein, aber ist es sozusagen metaphorisch gemein oder ist es ein Gesetzestext wie in der Landesverfassung von Hessen?

00:57:18: oder ist es irgendwie eine Norm?

00:57:21: Das bleibt ja in der Schwebe.

00:57:23: Ich würde denken, es ist eher als ein Anspruch, der formuliert wird und jetzt nicht sozusagen gesetzlich verberücktes Recht.

00:57:28: und unter mittlerweile wohlfahrtstaatlichen Bedingungen würde man das eben anders diskutieren.

00:57:33: Und da muss man, glaube ich, beides machen.

00:57:35: Also da, wo das Recht auf Arbeit beschnitten wird, nämlich auch das Recht auf die Gestaltung, die Mitbestimmung der Arbeitsverhältnisse, da möchte man eigentlich schon auf dem Recht auf Arbeit und auf eine bestimmte Form der Gestaltung von Arbeit bestehen.

00:57:46: Und ansonsten aber hat das natürlich was Überschießendes, nämlich diesen unglaublichen internalisierten Produktivismus zu kritisieren.

00:57:55: Ja,

00:57:55: das ist interessant, was du ansprichst, weil anders als, wenn man so bei seinem Schwiegervater mag, ja eben diese Frage, die du jetzt gerade mit Demokratisierung, Mitbestimmung in den Arbeitsverhältnissen, also der kooperative Geist, das gemeinsame Gestalten, der Arbeit der Aneignung der Transformation von Natur bei ihm jetzt auch gar nicht näher angesprochen ist.

00:58:20: Dabei ist es auch interessant, weil ... Dein Punkt mit der, wer sind die Subjekte?

00:58:26: Das ist ja schon auch ein wichtiger Aspekt.

00:58:29: So kommt mir vor, dass er ja sehr radikal durch diese veränderte Arbeitsteilung, auch die Vorstellung hat alle, auch die Frauen, sie nehmen teil an diesen Tätigkeiten.

00:58:42: Das heißt, sie sind nicht rausgenommen, also in den Haushalt ins Verwarte verbannt, sondern sind teil.

00:58:49: Und es würde auch so ein bisschen dafür sprechen, dass er Was in dem Text gar nicht so eine Rolle spielt.

00:58:54: Ansonsten ja eher die Vorstellung hat, dass eine... zukünftige Gesellschaft eben auch wiederum eine matriarchale Gesellschaft wäre.

00:59:04: Also da kommt sozusagen auch diese Dynamik rein, die so von Furrier und Engels so betonen

00:59:10: wird.

00:59:10: Also der Universalismus, der herin steckt, den finde ich unbedingt bewahrenswert.

00:59:15: Und letztlich unterscheidet er aber zu wenig und zu wenig systematisch zwischen der Freiheit von Arbeit.

00:59:23: Also ich befreie mich von Arbeit und wir konzentrieren uns auf die Gesellschaft.

00:59:27: notwendige.

00:59:28: Davon müssten wir aber unterscheiden.

00:59:29: Freiheit durch Arbeit, weil das gemeinsame Kooperieren in der Auseinandersetzung mit der Natur bringt natürlich auch immer zepatorische Gewinne, ist ja klar.

00:59:40: Und dann Freiheit in der Arbeit.

00:59:42: Also da, wo Arbeit notwendig ist und gesellschaftlich organisiert werden muss, da würde man ja doch den normativen Anspruch haben, dass es auch dort Freiheitswerte gibt und dass die auch realisiert werden in der Kooperation der assoziierten Produzenten?

00:59:58: Ja,

00:59:58: absolut.

00:59:59: Also genau das ist das, was ja wichtig ist, genau die Assoziation, der Kooperierenden, ja, also die eben, ja, bis hin zu dem Punkt von Marx, der sagt, die Arbeit als erstes Lebensbedürfnis, aber das ist eben auch interessant.

01:00:15: Es gibt so eine Formulierung, da klingelt es eigentlich ein bisschen so wie bei Marx, dass er sagt, na ja, eigentlich kann ich mir vorstellen, dass die Arbeit dann zu einem großen Genuss wird, wenn wir nicht mehr so viel arbeiten müssen.

01:00:30: Also das ist eine vertikale Arbeitszeitverkürzung.

01:00:33: ändert völlig unser Verhältnis zur Arbeit.

01:00:37: Das führt ja gar nicht näher aus, aber das ist so in der Andeutung schon sehr, finde ich, sehr weitreichend.

01:00:42: Finde ich auch.

01:00:43: Und es ist ja auch unmittelbar plausibel, wenn du von etwas zu viel machst, ja, dann kannst du es auch nicht mehr genießen eigentlich.

01:00:50: Und in kleineren Dosen wird es plötzlich auch eine Abwechslung von dem, was du sonst machst.

01:00:56: Ich finde, diese Arbeitszeit-Dimension ist halt so wichtig, jetzt auch gegenwärtig, weil wir in einer riesen Debatte haben sechs Millionen Veröffentlichungen zum bedingungslosen Grundeinkommen, wo das immer auf der Zirkulationsebene diskutiert wird.

01:01:10: Und hier geht es um die Produktionsebene.

01:01:12: Und da tatsächlich Arbeitszeit, die für die Produktion von Sinnlosen und von Destruktiven eigentlich auch.

01:01:20: Wir haben ja ständig eine Produktion von Destruktionen, das zu reduzieren.

01:01:24: Und das finde ich total wichtig.

01:01:25: Und mindestens komplementär zu einem bedingungslosen Grundeinkommen, müssten wir ihm sowas wie eine garantierte Grundzeit fordern, dass man eben nur so und so viel für die in diesem Fall dann eben Lohnerwerbsarbeit erbringen kann, soll und muss.

01:01:41: Ja,

01:01:42: vielen Dank, Stefan.

01:01:43: Das ist wichtig, diese Diskussion zu führen.

01:01:47: Auf jeden Fall.

01:01:47: Also danke an La Fargue nochmal von unserer Seite.

01:01:52: Danke dir, Alex.

Über diesen Podcast

Der Theoriepodcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Too long, didn’t read – so geht es einigen beim Anblick der Klassiker linker Theorie. Die über zweitausend Seiten langen Gefängnishefte von Antonio Gramsci, die komplizierten Schinken von Marx oder Edward Said – wenn ihr keine Zeit habt, die Bücher alleine durchzuackern oder eine Einführung sucht, dann hört euch den Theoriepodcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung an.

Durch den Podcast führt Alex Demirović. Der Professor für Politikwissenschaft an der Uni Frankfurt ist Vertreter der kritischen Theorie und Kenner sämtlicher linker Standardwerke. In jeder Folge stellt Alex Demirović Schlüsselwerke der linken Theorie vor. Es werden die zentralen Thesen der Werke und ihre heutige Relevanz diskutiert. Die Spannbreite liegt dabei vom klassischen Marxismus, Kritischer Theorie, Feminismus, antikoloniale Theorie, Poststrukturalismus bis hin zu Hegemonietheorie und Existenzialismus.

Prof. Alex Demirović gibt euch in kurzen Vorträgen eine Einführung in die Biografie der Theoretiker*innen und fasst die zentralen Thesen zusammen. Anschließend diskutiert Alex Demirović in jeder Folge mit einem Gast über das Werk und seine Relevanz für aktuelle politische Kämpfe.

Kontakt, Kritik, Feedback: theoriepodcast@rosalux.org

von und mit Alex Demirović

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