00:00:02:
00:00:16: Hallo, ich begrüße euch zum Theorie Podcast der Rosa Luxemburg Stiftung.
00:00:22: Mein Name ist Alex DeMirovic.
00:00:25: In der heutigen Episode wollen wir über das Buch von Angela Davis sprechen.
00:00:32: Eine Gesellschaft ohne Gefängnisse.
00:00:36: Eigentlich ein bisschen eine rhetorische Frage.
00:00:39: für Angela Davis ist die Sache klar.
00:00:42: Das Fragezeichen steht eigentlich dafür, dass sie der Überzeugung ist, es sollte eine Gesellschaft ohne Gefängnis geben.
00:00:53: Das ist eine der Grundthesen des Buches, dass wir das Gefängnis wie etwas Natürliches, Selbstverständliches, Alltägliches behandeln.
00:01:05: Aber bevor Ich weiter auf die Überlegung des Buches eingehe, vielleicht ein paar Sätze zu Davies selbst.
00:01:16: Sie ist am XXI.
00:01:18: ersten, nineteen-hundertvierzig geboren.
00:01:24: Das heißt, sie ist jetzt eighty-einen Jahre alt.
00:01:28: Geboren wurde sie in Birmingham, Alabama, USA.
00:01:33: Birmingham ist eine Industriestadt, also Kohle, Eisenherz, Stahlproduktion.
00:01:41: Das ist für sie wichtig und es ist auch eine wichtige Erfahrung.
00:01:46: Mit Blick auf etwas, was sie dann in dem Buch ansprechen, wird der Hintergrund, dass sehr viele der Arbeiter in den Kruben und in den Stahlwerken schwarze waren, die auch als Kattengangs, County Chains, dort diese Arbeit gemacht haben in praktisch klarenähnlichen Zuständen.
00:02:10: Das war Ende des neunzehnten Jahrhunderts als Kind und Jugendliche.
00:02:15: Wusste sie das nicht?
00:02:17: Ihre Eltern gehören zur Mittelschicht.
00:02:20: Beide hatten studiert.
00:02:22: Die Mutter hat als Lehrerin gearbeitet.
00:02:24: Der Vater, der nach dem Studium keine entsprechende Stelle fand, hat dann eine Tankstelle übernommen.
00:02:32: Ich finde bemerkenswert, dass sie schon früh diese Erfahrung mit Rassismus machen musste, also das Betraf, die Erfahrung in der Nachbarschaft, ihre Eltern.
00:02:45: kauften ein Haus und dann wurden sie da in der Nachbarschaft von Weißen immer wieder abgelehnt und diskriminiert, also so, dass sie diese Erfahrung früh als Kind machen musste, aber sie schildert es eben auch von einem Aufenthalt in New York.
00:03:01: Ihre Mutter ist zu einer Lehrerin Fortbildung nach New York gegangen, hat es mehrfach gemacht in den Sommermonaten und eben auch Angela mitgenommen.
00:03:13: und da Er fährt sie dann eben den Unterschied zu der Situation in Alabama, dass es eben selbstverständlich ist, dass Schwarze im Bus überall Platz nehmen können und das eben in Alabama nicht erlaubt war, sondern eben Schwarze in den hinteren Teil des Buses gehen mussten.
00:03:32: Also das waren so harte Erfahrungen, über die sie berichtet.
00:03:37: in ihrer wirklich sehr lesenswerten Autobiografie, die bis in die frühen siebzehnte Jahre reicht.
00:03:44: Mit fünfzehn wollte sie nicht mehr in Birmingham leben und hat dann eben ihre Eltern überredet, dann als Schülerin nach New York zu gehen.
00:03:53: Dort kam sie mit Maxismus in Berührung, hat sich dann auch ... politisch schon stark engagiert.
00:04:01: Und weil ihre schulischen Leistungen so gut waren, bekamen sie dann ein Stipendium an der Brandeis University und studierte dann dort ab ein neunzehnten und sechzig Französisch.
00:04:12: Das brachte sie wiederum nach Paris, studierte also in Paris dann weiter und von dort mit einer Empfehlung von Herbert Markuse, den sie in Brandeis kennengelernt hatte und seine Frau Inge.
00:04:29: Also mit der Empfehlung von Markuse ist sie dann für zwei Jahre nach Frankfurt am Main gegangen, um dort bei Adorno zu studieren, Jürgen Habermas, auch noch Max Horkheimer, der schon im Ruhestand war, aber offensichtlich hat sie auch von ihm noch Veranstaltung mitbekommen.
00:04:48: Sie war Mitglied des SDS.
00:04:51: hat ganz in der Nähe der Frankfurter Universität in Frankfurt-Bockenheim gewohnt in der Adalbertstraße.
00:05:00: Die Entwicklung in den USA, nämlich das starke Auftreten der Bürgerrechtsbewegung, der schwarzen Bewegung, der vielen Gewaltsituationen, der Anschläge, brachten sie dazu, von Frankfurt Deutschland in die USA zurückzukehren.
00:05:20: Sie hat das eigentlich nicht so richtig ausgehalten, dann weiter in Deutschland zu bleiben.
00:05:25: So schreibt sie und ist dann eben nach San Diego, wo... Herbert Marcuse Professor wurde.
00:05:32: Da hat sie dann den Master abgeschlossen und eine Doktorarbeit angefangen über Kanzanalyse der Gewalt in der französischen Revolution.
00:05:45: und neunzehnundsechzig Dozentin an der Universität von Kalifornien, Los Angeles.
00:05:58: In dieser Zeit, das ist eben auch interessant, schildert sie sehr detailliert, die unglaublichen Gewalterfahrungen, die sie und viele andere ihrer Kommilitonen und Genossinnen machen mussten in Los Angeles, also Angriffe der Polizei auf Versammlungsorte oder Organisationseinrichtung der Schwarzen mit massiven bewaffneten Angriffen und auch Tötungen von Schwarzen.
00:06:28: Und sie selbst, die dann eben sehr engagiert war in den Kämpfen dagegen, wurde ihrerseits zu einem richtigen Hassbild als engagierte Maxistin, als Schwarzer, als Feministin, so dass Ronald Reagan, der zu dieser Zeit Gouverneur in Kalifornien war, sehr ausdrücklich gesagt hat, solange er das beeinflussen kann, wird Angela Davis keine Stelle an der Universität von Kalifornien bekommen.
00:06:57: Sie hatte zu dieser Zeit eine Dozentur, neunundsechzig, siebzig, an der Universität von Los Angeles und die wurde ihr eben genommen.
00:07:09: genau aufgrund solcher politischen Intervention, der Hintergrund war, dass sie Mitglied der Kommunistischen Partei der USA war, von Es war immer so ein bisschen ein strittiger Punkt bezogen auf die Dinge, die Angela Davis so gemacht hat, dass es eben auch eine Kritik daran gab, dass sie diese autoritären staatssozialistischen Staaten verteidigt hat und die autoritären Prozesse Dynamiken in diesen Gesellschaften nicht so sehen wollte oder jedenfalls nicht so stark betont hat.
00:07:50: Immerhin hat es ja viel zu Gefängnissen und Rassismus gearbeitet und auch da wäre natürlich denkbar gewesen, über die Lager- und Gefängnisse um Psychiatrien in Staaten des realen Sozialismus zu sprechen und es zu erwähnen.
00:08:08: In diesen Jahren, das ist eben auch sehr eindrücklich, darum geht es dann auch in ihrer Autobiografie, wurde sie verhaftet, ihr wurde angelastet, dass sie sich darum bemüht haben soll, George Jackson zu befreien.
00:08:23: Die Waffen, die bei einem Befreiungsversuch im Gericht eingesetzt wurden, waren auf sie registriert.
00:08:30: Aber es wurde dann klar, dass sie damit gar nichts zu tun hatte von den Vorgängen.
00:08:35: Nichts wusste, sie wurde von allen Anklagepunkten dann im Juni, neunzeilzehn, siebzig freigesprochen.
00:08:41: In diesen zwei Jahren zwischen Oktober, neunzehnzehnzig, als im Zeitpunkt der Verhaftung und Anklage, Und dem Freispruch gab es eine große weltweite Solidaritätsbewegung.
00:08:54: Also es gab in der DDR, also das war eine richtig große Bewegung für die schwarze Schwester Angela.
00:09:02: Das neue Deutschland hat dazu publiziert die lokalen Zeitungen des Fernsehen.
00:09:08: Nach ihrem Freispruch war dann Angela Davis auch für eine Woche in der DDR und wurde von Erich Honecker empfangen.
00:09:16: In Westdeutschland gab es eben auch eine große Solidaritätsbewegung, Kampagne.
00:09:21: Also ich selbst kann mich erinnern, dass ich auf dem Frankfurter Opernplatz gestanden bin und Herbert Makuse da gesprochen hat eben für Freiheit für Angela Davis.
00:09:34: Es gab dann auch einen entsprechenden Kongress, am Beispiel Angela Davis, also die Frage der Repression, die wurde da behandelt.
00:09:43: Ja, in den Folgejahren, also das liegt ja durchaus ein bisschen nahe, hat sie sich dann eben sehr, sehr viel mit dem Gefängnis industriellen Komplex befasst.
00:09:53: Das ist ein Ausdruck, der ja auch wichtig ist.
00:09:55: Der kommt von Mike Davis in der Mitte der neunziger Jahre, entwickelt dieses Konzept und darauf stützte sich eben sehr stark, um zu verständlich zu machen, wie die Gefängnisdynamik in den USA funktioniert.
00:10:12: Dabei ist interessant, dass sie, das kann man vielleicht wirklich so sagen, eine der intellektuellen Theoretikerinnen, Feministinnen ist, die sehr früh eine intersectionalistische Perspektive versucht haben zu entwickeln, also das ist eben bei der Analyse des Gefängnisses, um den Zusammenhang von Klasse, Rasse und Geschlecht geht, also auch den Zusammenhang mit Racial Capitalism, also einen Ausdruck, der ja dann in den letzten Jahren sehr an Bedeutung gewonnen hat, an Prominenz.
00:10:48: Man kann sagen, dass sie mit ihren Analysen durchaus dazu beigetragen hat, so ein Verständnis von kapitalistischer Dynamik eben deutlich zu machen, nämlich das Gefängnisse.
00:11:02: Gefangenschaft, Psychiatrie, sexistische Gewalt, also Gewalt gegen Frauen, dann auch in den Gefängnissen, in den Familien eine große Rolle spielen für die moderne kapitalistische Gesellschaft.
00:11:16: Das Buch von ihr, Gesellschaft ohne Gefängnisse, der Gefängnis Industrielle Komplex der USA, so der Untertitel.
00:11:24: vertritt eben die These, dass eigentlich Gefängnisse überflüssig sind und zwar nicht nur allein aus historischen Gründen, sondern genau genommen aus ganz prinzipiellen Gesichtspunkten.
00:11:42: Das Buch von Angela Davis ist Anfang der zweitausender Jahre entstanden.
00:11:49: Manche der Zahlen, die jetzt auch in der Neuauflage des Buches enthalten sind, sind also schon ein bisschen älter, aber in der Struktur.
00:11:58: hat sich da gar nicht so viel geändert, also wenn man das nimmt, dann ist es so, dass in den USA heute etwas über zwei Millionen Menschen in unterschiedlichen Typen von Gefängnis untergebracht sind, ja also Einzelstaaten, lokale Gefängnisse, Bundesgefängnisse.
00:12:19: dann Abschiebegefängnisse, also unterschiedliche Kategorien, insgesamt etwas über zwei Millionen.
00:12:26: Das ist eine enorme Steigerung der Zahlen.
00:12:29: Ende der neunzehntzechzehr Jahre waren das zweihunderttausend.
00:12:35: Insgesamt ist es so, dass, wenn man alle Staaten der Welt zusammennimmt, von der Menge der Gefangenen in den Gefängnissen Die USA auf Platz eins, also Rang eins ist.
00:12:51: Die Bundesrepublik liegt irgendwo bei einem der hinteren Plätze mit neunundfünfzigtausend Gefängnisinsassen.
00:13:01: Und in den USA sitzen in den Gefängnissen etwa zwanzig Prozent der gesamten gefangenen Bevölkerung der Welt.
00:13:10: Also das heißt, es ist ein gigantischer Komplex.
00:13:13: Deswegen macht es auch wirklich Sinn, von einem gefängnisindustriellen Komplex zu sprechen.
00:13:20: Das ist weit über dem Durchschnitt der Staaten und der Bevölkerung weltweit.
00:13:27: Man kann also von einer Massen Einkerkerung sprechen und davon, dass Gefängnisse so was sind wie ein staatliches Programm zur gesellschaftlichen Regulierung.
00:13:42: Was für Angela Davis von Bedeutung ist, ist eben die Zahl dieser Gefangenen.
00:13:48: Aber auch eben die enorme Zunahme der Gefängnisse selbst.
00:13:54: Also in verschiedenen Phasen hat sich die Zahl dann entwickelt, aber der Hauptteil der Gefängnisse ist enorm gewachsen.
00:14:02: Seit den Neunzehnten, acht Jahr Jahren, alleine in Kalifornien hat es dann über achtzig Strafanstalten und wichtig ist natürlich auch die Zusammensetzung.
00:14:14: der Gefängnis Insassen, also, thirty-fünf Prozent der Insassen sind Latinas, thirty-fünf Prozent sind Afroamerikaner.
00:14:24: und neunundzwanzig Prozent weißen Gefangene.
00:14:28: Also es ist eben ein umfassendes System und das ist etwas, warum sie auch diesen Ausdruck von Gefängnis industriell komplex verwendet, dass sie eben deutlich machen will.
00:14:39: Es hat gar nichts mit Kriminalität zu tun.
00:14:42: Das ist sowieso ein eigenes Thema, was sie beschäftigt.
00:14:46: Ja, also es entspricht nicht der Zunahme von Kriminalität, sondern Es hat eben auch natürlich mit der Gesetzgebung zu tun, was dann als kriminell definiert wird, sondern es ist eben auch eine Dynamik des Gefängnisbaus, als eine eigene Strategie Profite zu generieren.
00:15:06: Also da verschränken sich Gesichtspunkte, also einerseits Gesetze, die besagen, dass wir dreimal angezeigt wird.
00:15:15: Der muss dann eben auch lebenslänglich ins Gefängnis.
00:15:19: oder es gibt eine starke strafverschärfende Gesetzgebung.
00:15:24: und auf der anderen Seite die Gefängnisunternehmen, also die richtig gehende Strategien des Gefängnisbaus, des Gefängnisdesigns, des Strafvollzugs dem Staat anbieten und dann natürlich auch ein Interesse daran haben, dass diese Gefängnisse mit gefüllt sind, dass die Gefangenen eben lange Haftstrafen haben, sodass eben diese Gefängnisse nicht leer sind, weil sie für diese einzelnen Insassen bezahlt werden.
00:15:56: Das heißt, die haben ein Interesse daran, dass es entsprechend starke Aburteilungen gibt und die Gefängnisse gefüllt sind.
00:16:07: Diese Firmen bieten an, dass Sie sich auch um alle weiteren Dinge kümmern.
00:16:15: Und wenn es nicht diese Firmen machen, dann gibt es dazu andere weitere Firmen, die eben dann den Transport der Gefangenen organisieren, die die Überwachung kontrollieren, also die Fußfesseln, die Bewährungsauflagen.
00:16:31: Dann gibt es Firmen, die sich um die Verpflegung der Gefängnisinsassen kümmern.
00:16:37: Also dieser Komplex ist ein ganz riesiges Netzwerk von Akteuren, die vielseitig interessiert sind.
00:16:45: Dazu gehören natürlich klassisch auch die Justiz, also die Rechtsanwälte, die Bewährungshelferinnen, die Sozialpsychologie, die Sozialarbeiterinnen, die eben darum herumkopiert sind.
00:16:58: Und dann gibt es auch einen kulturell ideologischen Aspekt, der von Angela Davis stark gemacht wird.
00:17:05: Also sie will eben weg davon, zu sagen, Gefängnisse hat was mit.
00:17:08: Kriminalität zu tun.
00:17:10: Es ist eben ein ökonomischer Faktor, es ist ein politischer Faktor der Regulierung.
00:17:16: Es ist eben auch ein kultureller Faktor, nämlich, dass wir eben das Gefängnis als wie selbstverständlich betrachten.
00:17:25: Und das wird eben durch eine Vielzahl von Medien vermittelt, also Gefängnisfilme wie Papillon oder diesen Ausbruchsfilmen.
00:17:34: mit Schwarzenecker und Sylvester Stallone, wo beide in einem Supergefängnis untergebracht sind und dieses Gefängnis dann eben in einem Schiff auf dem Ozean.
00:17:48: dass man sagen kann, und das zeigen ihr auch die eigenen Fragengespräche mit Gefängnisinsassen, dass viele eben kulturell vertraut sind mit Bildern, mit Abläufen, mit Vorstellungen, was eigentlich ein Gefängnis ist.
00:18:02: Und aus ihrer Sicht ist das deswegen ein Problem, weil das Gefängnis, was eigentlich so völlig unselbstverständlich ist, dadurch so erscheint, als könne es Gesellschaften ohne Gefängnis gar nicht geben.
00:18:17: Und das ist ja ein wirklich interessanter Gesichtspunkt.
00:18:20: Deswegen spielt der Ausdruck Abolitionismus in ihrer Arbeit auch eine ganz große Rolle, nämlich die Überwindung der Gefängnisse, also in der Tradition auch der Überwindung der Sklaverei.
00:18:34: Und in dem Buch argumentiert sie auch, dass in den Gefängnissen in den USA in vielen Hinsichten die Tradition der Sklaverei genau genommen fortgesetzt wird.
00:18:48: Also das zeigt sie dann unter einigen Gesichtspunkten.
00:18:52: Ich komme darauf gleich nochmal zurück.
00:18:55: Ich finde dieser grundlegende Gedanke, der scheint mir sehr, sehr wichtig, dass sie sich fragt, warum gibt es eigentlich ein solches Bestrafungsbedürfnis?
00:19:06: Was ist die Erwartung?
00:19:08: Ja, bei der Strafe.
00:19:10: Und warum wird Strafe gleichsam, wie logisch, artikuliert miteinander verbunden mit Gefängnis?
00:19:18: Das ist aus ihrer Sicht, und das sind ja auch Überlegungen, die andere Autoren, Autorinnen angestellt haben.
00:19:25: Also, wenn man an Michelle Foucault denkt über Wachen und Strafen, was wir hier vor längerem schon in einer Episode vorgestellt haben, das eben mit der bürgerlichen, kapitalistischen Vergesellschaftung Gefängnisse entstehen als eine bestimmte Form der Bestrafung.
00:19:45: Das heißt, die Unterstellung ist die, dass Individuen frei sind und deswegen auch nicht mehr am Körper gequält werden.
00:19:56: Sie werden nicht mehr mit Brandeisen behandelt oder es werden nicht mehr Körperteile amputiert.
00:20:02: Es wird auch nicht jetzt nach Gesichtspunkten der Rache bestraft, also Auge um Auge, Zahn um Zahn oder eben bei Diebstahl Amputation, sondern es geht um den Entzug der Freiheit der Individuen.
00:20:16: Das ist sozusagen die Grundannahme, die mit dem modernen Bürgertum verbunden ist, also der Entzug von Freiheit und Autonomiebewegung.
00:20:27: so dass Gefängnisse, die es ja schon davor gab, um Menschen an der Flucht zu hindern, dass die Funktion des Gefängnisses sich eben ändert und das Gefängnis selbst dann die Strafe wird.
00:20:42: Das ist für Davidson wesentlicher Gesichtspunkt, also das Gefängnis als Strafe, aber sie macht eben auch deutlich, dass das Gefängnis nicht einfach nur neutrales, sondern im Sinne von Freiheitsentzug, sondern dann geht es eben um die ganzen Praktiken, die innerhalb des Gefängnisses stattfinden.
00:21:04: Also zum Beispiel die Zelle hat man Möglichkeit mit anderen zu kommunizieren oder befindet man sich in isolationshaft.
00:21:12: Und sie selbst hat es eben auch erlebt, isolationshaft.
00:21:16: Und das war sozusagen in der frühen Phase des Freiheitsentzugs ein maßgeblicher Gesichtspunkt, die Gefangenen zu isolieren, so dass sie alleine sind, nicht sprechen können, dass sie die Möglichkeiten haben, über ihr Vergehen nachzudenken, zu bereuen, sich gewissermaßen zu reinigen.
00:21:35: Es ging darum, ein Verhalten zu verändern.
00:21:39: Das bedeutet aber auch, dass es nicht möglich war, Bücher zu lesen, zu schreiben und das ist eine schöne Passage in dem Buch, auch in der sie schildert, wie die Gefangenen, also bezieht sich dabei insbesondere auf Gruppen schwarzer Gefangener, eben dann anfangen zu lesen, sich wechselseitig zu unterrichten und dann auch die Möglichkeit wahrnehmen, Kölchabschlüsse.
00:22:04: abzulegen, also, wie sie zitiert dann Malcolm X, der sagt, na ja, dadurch hatten wir die Möglichkeit uns selber zu sozialisieren und dass diese Möglichkeit wurde dann, aus dem Konkrets, wieder abgeschafft, sodass man sagen kann, also ein maßgeblicher Gesichtspunkt der Fortbildung, der Ausbildung, der Qualifikation des Nachdenkens.
00:22:30: wurde dann beschränkt oder de facto abgeschafft.
00:22:40: Davies rückt das Gefängnis in den USA in die Tradition der Sklaverei.
00:22:46: Das hat sehr viel damit zu tun, dass nach der Emanzipation, also der Beseitigung der Sklaverei nach dem Bürgerkrieg eben bestimmte Praktiken dann Platz griffen, also zum Beispiel die County Chains, also das gefangene vermietet wurden an Arbeitgeber.
00:23:06: Das heißt, die konnten praktisch die Arbeit, die vorher Sklaven gemacht haben, manchmal auf denselben Plantagen, dann mit Gefängnisinsassen machen.
00:23:15: Und das konnte zur Folge haben, dass die Mitglieder solcher Chains, also die dann an Ketten gemeinsam arbeiten mussten, dass die dann weniger geschützt waren als vorher Sklaven, weil Sklaven waren eben Investition.
00:23:32: Das heißt, es gab auch ein gewisses Interesse, die Körper, die Arbeitsfähigkeit des Sklaven zu erhalten, während jetzt bei den angemieteten Gefangenen konnten die im Prinzip ausgenutzt werden, bis sie eben tot umfielen.
00:23:47: Also letztlich waren sie häufig schlechter dran.
00:23:50: Als vorher.
00:23:51: es gab dann auch die entsprechenden Praktiken, nämlich das Auspeitschen.
00:23:56: Es gab dann diese Black Coats, die einschlossen in den Lünchmord.
00:24:02: Also es gab sozusagen institutionalisierte Muster im Verhältnis zu den Schwarzen, obwohl es gar keine Sklaverei mehr gab und es war über Jahrzehnte notwendig, diese Praktiken zu bekämpfen und auf Reformen zu drängen.
00:24:24: Aber letztlich kann man sagen, geht es ja in der gewissen Weise weiter, weil das ist ihre Deutung, dass eben die Firmen, die von den Gefängnissen leben und damit Profit generieren, also wie jetzt zum Beispiel die Correction Corporation of America, CCA, dass die Gefängnisse baut und beliefert und eben Dienstleistung da drum herum organisiert, ja, also Gefängnisse sozusagen dann ästhetisch gestaltet.
00:24:53: in der Stadt liegen und von außen wie Shopping Malls aussehen, also dass da aus ihrer Sicht vergleichbaren Weise Kapitalverwertung stattfindet und die Bestrafung an Großkonzerne delegiert wird, eben das, was wie schon ausgeführt Gefängnisindustriella komplex ist.
00:25:16: Dazu gehört auch eine bestimmte Art und Weise der Gewalt, auch das habe ich schon ein bisschen angesprochen, nämlich zum Beispiel die Frage der Zellen, wie ist man isoliert oder kann man kommunizieren.
00:25:29: Ein besonders eindrückliches Kapitel behandelt auch die Inhaftierung, Einkerkerung von Frauen und da auch die Dimension der ständigen sexuellen Übergriffe.
00:25:42: Das veranschaulicht sie, finde ich sehr eindrücklich, wenn sie zeigt, wie in den Alltag der Frauen im Gefängnis sozusagen der sexuelle Übergriff eingewebt ist durch die ständigen Untersuchungen der Frauen aller Körperöffnungen, dass es ständige Übergriffe gibt, die schnell in sexuelle Übergriffe übergehen.
00:26:04: Dazu gehören dann eben auch die Gewalt, die von Wertern ausgeübt wird, ja, oder die Entwicklung neuer Gefängnistechnologien, also die ständige Überwachung mit Videos oder sensorische Deprivation, sodass man eben keine Geräusche mitbekommt, der Gesprächsentzug, der Entzug von Lesestoff oder Nutzungsmöglichkeiten von Rundfunk und Fernsehen oder Zugang zu Computern oder Treffen mit Freunden.
00:26:36: Das ist etwas, was sie selbst aus ihrer eigenen Erfahrung schildert.
00:26:39: Das ist auch eine ganz schöne Geschichte in der Autobiografie.
00:26:43: Bevor sie nach Kalifornien überführt wurde, um dort dann den Prozess zu haben, war sie erst mal ein paar Wochen in New York im Gefängnis in Green Ridge Village.
00:26:52: Und dort war es dann so, dass von innen her es möglich war, die Menschen auf der Straße zu sehen.
00:27:00: Und dann gab es eben diese Kommunikationsbeziehung, dass dass viele ihrer Genossinnen und Unterstützerinnen auf der Straße standen und es ein regelrechter Austauschgespräche gab, darüber, wie es jetzt politisch ist und zur Unterstützung von ihr und anderen im Gefängnis, sodass es eben eine regelmäßige Kommunikation gab, gar nicht so isoliert.
00:27:23: Dieses Gefängnis wurde dann kurz nachdem sie von dort abtransportiert wurde nach Kalifornien.
00:27:29: abgerissen, und durch ein anderes großes Gefängnis ersetzt, wo es dann zu so viel Gewalt und auch voll davon gefangenen kam, dass auch dieses Gefängnis dann unter dem starken öffentlichen Druck wieder geschlossen und abgerissen wurde.
00:27:46: Diese ganzen Erfahrungen, und das ist, glaube ich, die Hauptüberlegung von Angela Davis, diese ganzen Erfahrungen legen ihr nah, etwas stark zu machen, was auch Foucault in Überwachen und Strafen schon stark macht.
00:28:01: Das Gefängnis ist eigentlich so lange es existiert, immer verbunden mit Reform.
00:28:08: Sie spricht deswegen auch sehr entschieden gegen Gefängnisreform.
00:28:12: Also das ist ja eine Praxis, die es ja immer wieder gibt, die Belegzahlen oder die besseren Möglichkeiten eben der Fortbildung und so weiter.
00:28:21: Also das alles thematisiert sie und sie sagt, genau genommen war Gefängnisreform etwas, was von vornherein mit der Entstehung, mit der Konstitution des Gefängnisses selbst verbunden war.
00:28:35: Und das Gefängnis praktisch von Anfang an begleitet, sodass es immer diese Gefängnisreformer gab und immer ein Hin und Her gibt zwischen mehr Menschen in die Gefängnisse bringen und sie kriminalisieren und dann wiederum die Stärkung des Gedankens der Resozialisierung.
00:28:53: Immerhin, sie thematisiert das jetzt nicht diesen besonderen Aspekt.
00:28:57: Der Foucault dann auch interessiert, nämlich, dass mit dem Neoliberalismus auch durchaus durchgerechnet wird, wie aufwenden.
00:29:05: wie teuer Gefängnisse für die Öffentlichkeit sind.
00:29:08: Also, so dass es Neoliberale gibt, die dann das durchrechnen und sagen, ja, dann lassen wir lieber eine bestimmte Menge von Diebstählen in unserer Gesellschaft zu.
00:29:18: Das ist für die Gesellschaft insgesamt billiger, als zu überwachen und zu kriminalisieren und aufwendig Gefängnisse zu bauen.
00:29:27: Foucault argumentiert hier in dieselbe Richtung wie Angela Davis, aber bei ihr ist es noch sehr viel deutlicher, dass sie sagt, keine Gefängnisreform, auch nicht solche Kalkulation, sondern... grundsätzliche Beseitigung der Gefängnisse, weil sie genau genommen ihr Ziel nicht erreichen.
00:29:46: Sie resozialisieren nicht.
00:29:47: Es ist eigentlich eine bestimmte Bevölkerung, also Schwarze oder Latinos, insbesondere Männer, die davon betroffen sind in einer bestimmten Altersgruppe und die werden kriminalisiert und werden dieses Stigma auch für den Rest ihres Lebens nicht los.
00:30:04: Das heißt, es ist eine Wenn man so will, eine Gefängnisbevölkerung, die in die Gefängnisse geht, dann kommen sie nach wenigen Jahren oder einigen Jahren wieder raus, manchmal natürlich auch länger.
00:30:16: Und dann ist es wie so eine Art Tretür, dass die Lebensumstände so sind, dass sie dann sehr schnell wiederum viele davon in die Gefängnisse zurückkommen und das ein ganzes Leben bestimmt ist.
00:30:27: Das hat natürlich einen Klassenaspekt.
00:30:30: Das muss man auch sehr stark betonen.
00:30:33: dass vor allen Dingen Kriminalität immer nach unten schaut.
00:30:37: Also die Delikte sind so zugeschnitten, die Kriminalisierungsprozesse sind so zugeschnitten, dass es reiche, wohlhabende, bürgerliche nicht betrifft.
00:30:50: Also sie aus diesem Prozess mehr oder weniger draußen sind mit wenigen Einzelfällen, aber genau genommen dient das Gefängnis der Regulierung der Klassen unten und dann auch im gewissen Umfang der Migration.
00:31:09: Und deswegen ist aus ihrer Sicht die Idee, es ist keine Utopie, Gefängnisse können überwunden werden, können abgeschafft werden.
00:31:20: Es ist möglich, weil die Lebensverhältnisse so verändert werden können, dass diese Art von Kriminalität praktisch keine Relevanz gewinnt und das gilt ja selbst für Gewaltdelikte, dass es ja häufig Situationdelikte sind, von denen man annehmen kann, dass sie eigentlich sich gar nicht wiederholen.
00:31:40: Dazu kommt noch, dass in den Gefängnissen selbst die Gewalt forciert wird oder auch die psychischen Krankheiten sich entwickeln und deswegen insgesamt das Gefängnis eigentlich aus.
00:31:54: ihrer Sicht und aus der Sicht vieler anderer, die für Abolitionismus argumentieren, eine widersinnige Einrichtung darstellen, die genau genommen dem Grundgedanken einer demokratischen Vergesellschaftung ganz grundlegend widersprechen.
00:32:20: Eine Gesellschaft ohne Gefängnisse?
00:32:23: Im Grunde geht es um eine grundlegende Frage.
00:32:27: Warum nehmen wir das Gefängnis als Selbstverständlichen?
00:32:30: Auch wenn ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung jemals direkt mit dem Leben im Gefängnis konfrontiert war, gilt dies nicht für arme, schwarze und lateinamerikanische Gemeinschaften.
00:32:41: Das gilt auch nicht für die indigen Nordamerikaner oder für bestimmte asiatisch-amerikanische Gemeinschaften.
00:32:47: Aber selbst unter den Menschen, die bedauerlicherweise Haftstrafen, vor allem unter jungen Menschen, als eine normale Dimension des Gemeinschaftslebens akzeptieren müssen, ist es kaum akzeptabel, ernsthafte öffentliche Diskussionen über das Leben im Gefängnis oder radikale Alternativen zum Gefängnis zu führen.
00:33:06: Es ist, als ob das Gefängnis eine unvermeidliche Tatsache des Lebens wäre, wie Geburt und Tod.
00:33:33: Vanessa Thompson.
00:33:34: Hallo Vanessa, grüße dich.
00:33:36: Hi, danke für die Einladung.
00:33:39: Ja, sehr gerne.
00:33:41: Du hast ja viel zu der Frage gearbeitet, die uns hier beschäftigt, dazu auch einschlägig publiziert.
00:33:48: Also wichtig erscheint mir zu nennen das Buch, was du zusammen mit Daniel Leuk herausgegeben hast, Theorien des Abolitionismus, also ein sehr umfangreicher.
00:34:00: Wann mit vielen Texten zum Thema, auch Texte von Angela Davis.
00:34:07: Zu dir als Person, du arbeitest als Professorin für Black Studies an der Queens University in Kanada und hast auch mit Deutschland an der Goethe Universität gearbeitet.
00:34:23: Deine Themenschwerpunkte, die berühren ja unmittelbar das, was wir hier auch.
00:34:28: Behandeln wollen mit dem Buch von Angela Davis, also kritische Rassismusforschung in polizeikritischen und abolitionistischen Zusammenhängen engagiert und in den Diskussionen, also vielfältige Berührungspunkte zu den Arbeiten von Angela Davis.
00:34:47: Ja, ich will auch gerne damit mal anfangen, weil ihr in eurer Einleitung zu dem Buch über Abolitionismus dieses Wiederum Buch von Angela Davis über Gesellschaft ohne Gefängnisse als ein bahnbrechendes Werk bezeichnet.
00:35:06: Erinnerst du dich an diese Formulierung?
00:35:07: Ich
00:35:07: glaube so.
00:35:12: Genau, das ist ja eine wirklich große Wertschätzung und danach würde ich dich gerne mal fragen.
00:35:17: Was hat euch bewogen, das so zu formulieren?
00:35:22: Ich glaube natürlich zum einen, weil Angela Davis, also ich meine das Buch ist, es ist im Jahr two-thausend-drei erschienen, wenn ich richtig bin.
00:35:31: Und das ist natürlich, so.
00:35:34: Anfang der zwei-tausender war die Diskussion um den Gefängnis industriellen Komplex.
00:35:40: Zum einen noch überhaupt nicht so weit, wie sie jetzt ist.
00:35:42: Also es war eine sehr frühe, wir sehen die Arbeiten von Vacant, etwas später, Kriminalisierung von Armut, die ganz grundlegende Studie von Wurz Wilson.
00:35:51: Gilmore, also Davis, obwohl natürlich die Debatten, politischen Debatten, theoretischen Debatten schon etwas vorher stattgefunden haben, also Mike Davis, der berühmte kalifornische Geograf oder Urbanist und Sozialist, hat den Begriff eigentlich geprägt.
00:36:07: In Anlehnung an den Militärisch-Industriellen-Komplex, das ist glaube ich auch wichtig, nochmal zu benennen.
00:36:14: Und das waren natürlich auch Debatten, wo Davis mit ihrem auch Antigefängnis Aktivismus, aber eben auch den theoretischen Überlegung Teil war.
00:36:24: Und es war aber eben eines der früheren Bücher, wenn man so möchte, dass ich intensiv mit der Expansion des gefängnisindustrieren Komplexes oder dem Phänomen der Masseninhaftierung auseinandersetzt.
00:36:38: Und ich glaube, aus der Perspektive, das auch wertschätzend, finde ich das schon, Bahndrechend, weil es sehr gut und auch knapp ein bisschen die die Dimension des Gefängnisindustrialen Komplexes auch einführt.
00:36:54: Genau.
00:36:54: Lass mich dazu gleich auch eine Frage stellen, weil ich finde, das ist ja erneuterungsbedürftig.
00:37:00: Die betont ja immer wieder, dass es ihr gar nicht um die Institution Gefängnis geht, sondern.
00:37:08: eben um dieses breite Netzwerk, in dem auch dann speziell die Gefängnisse in ihrer ganzen Vielfalt, also in den USA ja vielfältiger Formen der Einkerkerung als in Deutschland eingebettet sind.
00:37:24: Das würde mich interessieren, dass du da vielleicht ein paar Sätze auch nochmal dazu sagst, also zu der besonderen Bedeutung, die das auch für sie hat.
00:37:35: Also, wenn sie von komplex spricht, dann spricht sie vor allem eigentlich von einem Netz, wenn wir so wollen, oder der Verflechtung von staatlichen Institutionen und privatwirtschaftlichen Unternehmen und politischen Interessengruppen, die auf unterschiedliche Art und Weise von dieser Masseninhaftierung profitieren.
00:37:55: Das heißt, es geht nicht einfach nur um das Gefängnis als Institution, sondern um ein viel breiteres Netzwerk von unterschiedlichen Interessen.
00:38:04: Gruppen, Privatunternehmen, was sich auch unter anderem global aufspannt, wenn man jetzt über so was wie Sicherheitstechnologien nachdenkt.
00:38:11: Und das ist auch von den Leuten, die dort inhaftiert sind, bis zu den Leuten, die da arbeiten, bis zu irgendwie unterschiedlichen Unternehmen, die beispielsweise für die Essenlieferungen im Gefängnis zuständig sind, oder auch beispielsweise die Schulen oder auch Bildungsinstitutionen, die Tische und Stühle haben die teilweise von Gefängnisinsassenen angefertigt worden sind, aber eben auch den Medieninstitutionen, die wesentlich an der Produktion von kriminalisierenden Dynamiken und Narrativen teilnehmen und diese reproduzieren, aber natürlich auch dem Rechtssystem.
00:38:53: Da können wir gleich noch mal drauf zurückkommen, das Rechtssystem, ich finde ... Das ist ja oftmals so, dass es dann auch diskutiert wird, die billige Lohnarbeit in den Gefängnissen.
00:39:04: Ja, das ist ja ein Thema und das behandelt sie ja auch, wenn sie dann diese Tradition zur Geschichte der Sklaverei und der Emanzipation nach dem Bürgerkrieg thematisiert.
00:39:17: Ich finde betronenswert, was du jetzt auch schon angesprochen hast, dass es ja eben eigentlich ein bisschen wie so eine Art Tese des New Materialism ist, dass sie das Gefängnis nicht als eben ein Gebäude mit Gitter und Einschluss und Gefangenen thematisiert, sondern das ganze Feld dessen, was mit Gefängnis komplex gemeint ist.
00:39:42: Und du hast ja einiges schon angesprochen, diese Privatunternehmen.
00:39:46: Aber auch, das ist ja für sie wichtiger Punkt, die Literatur, die Filme.
00:39:52: Also die kulturellen Repräsentation des Gefängnisses, sodass sie ja dann bei einer Gelegenheit schildert, dass eben die Gefangenen in den Gefängnissen selber praktisch ideologische Repräsentationen des Gefängnisses sind.
00:40:08: Also sich sozusagen gleichsam, ja, wie eine Art Spiegel.
00:40:12: Verhält ja im gefängnis ein bild vom gefängnis vom gefängnis vom gefängnis und das ich sozusagen darum trell total.
00:40:20: das ist auch wichtig glaube ich die kulturelle produktion und da sieht man das für davis und für viele andere die diesen begriff eben benutzen.
00:40:28: der gefängnis industrielle komplex wird analysiert als eine der wesentlichen organisationsprinzipien der US-kapitalistischen Gesellschaft.
00:40:40: Und ich glaube, das zeigt nicht, es geht nicht einfach nur um die Institution, sondern es wird zu einer gewissen politökonomischen Rationalität in einer bestimmten politischen Konjunktur.
00:40:54: Der Gefängnis Industrielle Complex ist eigentlich eine Form des staatlich-gesellschaftlich-politischen Managements, auch wenn man so will, von... Ja, von Widersprüchen, die durch den Kapitalismus auch produziert werden, weil das hat natürlich auch sehr viel mit sozialer Ungleichheit, Rassismus etc.
00:41:11: zu tun.
00:41:12: Ja, das finde ich gut, mal zwei Sätze, drei Sätze zu Kapitalismus in dem Zusammenhang zu sprechen.
00:41:20: Du hast ja schon von der politischen Ökonomie gesprochen, also mir war auch wichtig, die politische, die kulturell ideologische Seite anzusprechen.
00:41:29: Wie kann man das mit der kapitalistischen Dimension der Herrschaft, die Herrschaftsoziologischen Aspekte.
00:41:36: Wie könnte man das noch stärker?
00:41:39: Also das ist tatsächlich, wo jetzt das Buch nicht so bahnbrechend ist, würde ich sagen.
00:41:44: Da sind andere evolutionistischen, also vor allem finde ich noch mal wirklich hier die Arbeiten auch von der Marxistischen Geographin Wudschwilston Gilmore sehr hervorzuheben, die nämlich ein bisschen dieser Kontinuitätsthese, also nicht nur ein bisschen, sondern die der Kontinuitätsthese eigentlich stark widerspricht.
00:42:00: Davis.
00:42:02: versucht in dem Buch aufzuzeigen, inwiefern wir es mit Massenhinderftierung und dem Gefängnis industriellen Komplex mit einer Fortführung der Sklaverei zu tun haben.
00:42:15: Das ist mit Bezug auf gewisse Techniken, Gewaltechniken, Form der Unfreiheit sicherlich nicht ganz falsch.
00:42:25: Sie macht auch die sehr gute und präzise Darstellung und Erläuterung beispielsweise der formalen Abschaffung der Fasklarung, dann der Überführung in das Convict Leasing System, also ein System der Zwangsarbeit.
00:42:39: was natürlich auch die herrschenden Klassen v.a.
00:42:42: des Südens sich auch überlegt haben und perfektioniert haben, um einfach die Kontrolle über schwarze Arbeitskraft, also sprich die Kontrolle, um Zwangsarbeit eigentlich zu erhalten.
00:42:51: Weil man muss ja überlegen, was das bedeutet, wenn so was wegbricht.
00:42:56: Auf einmal.
00:42:57: Und dieses Convict-Leasing-System, glaube ich, ist für Sie so ein wesentliches Scharnier, dann zu sagen, okay, und von dort geht es eigentlich über in die Masseninhaftierung.
00:43:07: oder in das Penitentiary als ganz wesentliche Form des Gefängnisses in den USA.
00:43:13: Ich glaube, dass, wenn es um Massenhinderftierung geht, ist eine ganz wichtige Diskontinuität dazu benennen und auf die geht Davis leider nicht so stark ein, aber eben andere Gefängnis-Avolutionistinnen.
00:43:27: schon die auch noch mal stärker über die spezifische Konjunktur, gesellschaftliche politökonomische Konjunktur nachdenken, vor deren Hintergrund sich die Masseninhaftierung eigentlich herausbildet.
00:43:40: Und das ist natürlich vor dem Hintergrund des neoliberalen Strukturwandels und der Deindustrialisierung.
00:43:46: Und nach Ruth Wilson Gilmour lässt sich vor dem Hintergrund Masseninhaftierung eher als eine staatlich politische Strategie der Krisenbewältigung.
00:43:57: verstehen, in der es gar nicht primär um die Ausbeutung von Arbeitskraft geht, was bei dem Convict Leasing System so war, sondern dass es bei dem Gefängnis eigentlich viel mehr um eine Krisenbewältigung von gesellschaftlichen Problemlagen geht.
00:44:12: Aber inwiefern denn?
00:44:14: Ich meine, weil man könnte ja sagen, okay, das sind ja sowieso marginale Gruppen in den urbaren Ghettoes, ja, und dann wird eine Teilgruppe, das ist ja... Wir reden ja über eine beachtlich große Gruppe.
00:44:27: Ich meine, ich habe ja die Zahlen auch im Vortrag genannt, also dass ja dann die USA auf RAN-I, der Inhaftierung der Einkärkungen steht, aber genau.
00:44:39: Wie kann man sich das mit der Krisenbewältigung vorstellen?
00:44:43: Also, ihr habt zum einen gesagt, das ist natürlich ein Überschuss von Arbeitskraft, aber mit Bezug auf Kalifornien auch ein Überschuss von Land.
00:44:50: Also, wir sprechen da auch vor dem Hintergrund von so einer Deagrarisierung, Deindustrialisierung und zu sagen, okay, und dafür muss es staatliche Lösungen geben, um diese Massen auch von erwerbslosen Menschen einzuhägen.
00:45:07: Für sie ist das Gefängnis als ein bestimmter Kompromiss, wenn man so möchte, ein ganz wesentliches Instrumentarium dafür.
00:45:16: Um praktisch zum einen eine marginalisierte Arbeiterklasse einzuhägen, die sonst auch in formellen Ökonomien etc.
00:45:26: irgendwie nachgehen würde, aber eben auch Ja, weil sie sagt, es passiert an so einem Übergang von der Surplus Crisis, von Land, Labour, State Capacity.
00:45:40: Und dass sie sagt, eine spezifische Form eigentlich auf diese... ...multiple Krise zu reagieren.
00:45:49: Als eine mögliche Form der Reaktion.
00:45:51: Weißt du, ich hab zwei Überlegungen.
00:45:55: Also zu dem Punkt, in du... Ansprich, der eine ist ja die schwarze Befreiungsbewegung der siebzier Jahre, in der Angela Davis selber eine wichtige Person war, ja auch dann gut befreundet mit Shortchecks und anderen.
00:46:13: Man könnte ja sagen, es ist auch eine langfristige Reaktion.
00:46:19: Der Staatsapparate, diese Art von selbstorganisierten Protest, Selbstorganisation der Lebenszusammenhänge, auch durch eine systematische Kriminalisierung zu bekämpfen.
00:46:32: Also so könnte ich mir eine Strategie vorstellen.
00:46:35: Ein anderer Punkt, der mir in dem Buch von Angela Davis völlig fehlt, ist das, was bei Foucault eine große Rolle spielt, nämlich die Funktionalität für die Kontrolle von Subaltern, ja, also um zu sagen, die werden kriminalisiert, während der Illegalismus, der Reichen, der Mächtigen praktisch überhaupt gar nicht weiter verfolgt wird.
00:47:02: Das heißt, wir haben in einem ganz grundlegenden Sinne, nicht in einem speziellen Sinne, eine Art von Klassen.
00:47:10: Justizsystem, also in dem das Gefängnis eingebettet ist, die Rechtsprechung, das ganze System der Rechtsanwälte, der Richter, der Staatsanwälte, also dieser ganze Komplex, inklusive auch der Selbstverständlichkeit wie... die Gefängnisse für das Kino inszeniert werden, für die Literatur.
00:47:31: Da sehe ich so einen Herrschaftsmoment, wo ich finde, das fällt so ein bisschen raus.
00:47:36: Also, wenn man sich jetzt mal klarmacht, Guantanamo, die Folter in Abu Qaib, aber dann auch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, dass Guantanamo dann doch nicht weggekommen ist.
00:47:49: Also, ich weiß nicht, wie du es einschätzt.
00:47:53: Es sind ja jetzt nicht mehr so viele Gefängnisse gebaut worden die letzten Jahre, aber gleichzeitig wird ja sehr viel outgesourced.
00:48:01: Ja, also wir haben ja, heute würde man vielleicht sagen, einen globalen Gefängnis-Industriekomplex, oder?
00:48:09: Genau.
00:48:11: Also ich meine, du sprichst natürlich schon mehrere Punkte an, ne?
00:48:13: Das eine ist natürlich... zu sagen, okay, die Ausweitung oder die Expansion von Masseninhaftierung ist irgendwie Teil von so einer neoliberalen Konterrevolution.
00:48:23: Und die ist auch eine Reaktion auf, oder die ist auch eine Strategie der langfristigen Zerschlagung von revolutionären Bewegungen.
00:48:31: Und in den USA waren das vor allem, aber natürlich nicht nur eben auch schwarze, radikale Bewegungen.
00:48:37: Und es ist sehr spannend, dass du George Jackson ansprichst, weil George Jackson ist jemand, der das genau auch theoretisiert.
00:48:43: Also ... Blood in my Eye, seine Gefängnisbriefe, darin spricht Jackson, obwohl das noch nicht die Neunzelndachtziger sind, also er schreibt Blood in my Eye, ich glaube, in den Neunzelndachtzigsten ist das Buch erschienen.
00:48:56: Da spricht er schon davon, dass das Gefängnis ein wesentliches Instrument werden wird, zum einen zur staatlichen Zerschlagung revolutionärer Kräfte, aber eben auch eine ganz wichtige Rolle spielen wird am Übergang von... der formalen Abschaffung von Fasklavon hin zu dem... Also er spricht noch nicht den neoliberalen Strukturwandel an, macht aber deutlich, dass es jetzt um die Einhegung von Lohnsklaven gehen wird.
00:49:24: Und das ist, glaube ich, ganz wichtig, weil wenn wir uns überlegen, inwiefern das Gefängnis, also der gefängnisindustrielle Komplex, inklusive des Rechtssystems, das du gerade angesprochen hast, inklusive der Klassenjustiz, klarmachen, dass der gefängnisindustrielle Komplex immer auch ein Mittel ist zur Präkarisierung von Arbeitenden.
00:49:42: Ja, also in den USA, das sagt Gilmour.
00:49:45: zum Beispiel auch ganz deutlich, sind ungefähr an die zehn Millionen Lohnabhängigen irgendwie mit einem Straf- oder Polizeiregister konfrontiert.
00:49:54: Das heißt, dass sie natürlich, das ist ein Mittel, um Löhne zu drücken.
00:49:59: Das ist ein Mittel, um sie praktisch zu marginalisieren, auch als als Arbeitende.
00:50:03: Und ich glaube, das zeigt nochmal so die Dimensionen mit Bezug auf, dass das Ganz wesentlich ist, sich mit dieser strafenden Logik auseinanderzusetzen, weil es halt nicht einfach nur ein klein Teil der Lohnabhängigen in den USA angeht, sondern wirklich ein ganz wesentlicher ist, um praktisch auch sie zu präkarisieren, einzuhägen, zu kontrollieren auch.
00:50:25: Das ist auch wichtig, es geht dann natürlich nicht nur um die, die in der Zelle sitzen.
00:50:29: sondern auch die raus rotieren.
00:50:30: Genau.
00:50:31: Das ist ja auch Foucault hat ja dieses schöne Bild, das im Prinzip ein Drittel im Gefängnis sitzt, ein Drittel draußen ist, also mit genau mit den Dosiers und ein Drittel wiederum auf dem Weg ins Gefängnis, weil sie unversuchungshaft und so weiter.
00:50:48: Und so dass es seine Argument ja auch ist, genau genommen hat das Gefängnis nur eine Funktion für die Kontrolle einer bestimmten Bevölkerungsgruppe.
00:50:58: die Gefängnisbevolkungsgruppe, die ständig vernäumt kriminalisiert wird, um damit einen, wie kann man sagen, einen gesellschaftlichen Fokus zu schaffen.
00:51:09: Ich würde gerne nochmal auf deinen Punkt mit der strafenden Logik deswegen zurückkommen, um auch überzuleiten zu weiteren Gesichtspunkten.
00:51:20: Ich finde ja wirklich sehr schön bei Davis, dass sie sagt, wir müssen... wegkommen von dem scheinbar logischen und natürlichen Zusammenhang von Verbrechen, also Kriminalität oder Akten, der Kriminalität und Strafen.
00:51:40: Und in dem Zusammenhang Geht sie ja eigentlich so ein bisschen diskursanalytisch vor, dass sie sagt, naja, also das, was du auch angesprochen hast, das alles muss desartikuliert werden.
00:51:52: Ja, also die Kriminalität mit der Humphobi, mit dem Rassismus, mit dem gewalttätigen Form des Sexismus.
00:52:02: Es muss sozusagen diese Beziehung aufgelöst werden, die dann zur Strafe hergestellt werden.
00:52:08: Und logisch dann auch das Gefängnis.
00:52:11: Daraus resultiert ja auch so ein bisschen ihre Überlegung.
00:52:15: Dann können wir uns überhaupt erst Alternativen vorstellen, wenn wir das also rausnehmen aus diesem vermeintlichen, natürlichen Zusammenhang.
00:52:25: Und du sprichst ja und ihr sprecht ja dann auch von demokratischem Abolitionismus.
00:52:34: Das würde mich eben interessieren, also jetzt auch mit Blick auf die Überlegung von Angela Davis, die sich ja dann eben ausdrücklich positiv dazu äußert, keine Gefängnisse
00:52:46: mehr.
00:52:48: Alex, darf ich vorher noch einen Schritt zurückgehen?
00:52:50: Weil ich es irgendwie wichtig finde, mit Bezug auf die politökonomische Funktionen von Gefängnissen.
00:52:56: Weil ich glaube, Davis macht da einen ganz wichtigen Punkt.
00:52:59: Und du hattest es ja auch gerade noch mal.
00:53:01: Warum schaut sie nicht oder thematisiert nicht stärker die Klassenjustiz?
00:53:05: Was ich richtig finde, es kommt da sehr marginal in den Buch vor, wenn sie darüber spricht, wie inwiefern Diskriminalität auch was gesellschaftlich konstruiert ist.
00:53:15: Und welche Formen des Ja, der verrechtlichen Handlungen werden eigentlich kriminalisiert, welchen nicht, etc.
00:53:21: Ich glaube, weil Davis ganz stark diesen Aspekt des Rassismus macht in dem Buch.
00:53:26: Und ich glaube, das ist was, was man sich noch mal genauer anschauen muss, weil das, sie changiert da so ein bisschen zwischen so einem, im Englischen sagt man, racial liberalism oder racial left liberalism und, würde ich sagen, schon auch einer materialistischen Lesart.
00:53:43: Aber dieses Schangieren ist manchmal gar nicht so hilfreich.
00:53:46: Weil wenn Davis sagt, dass die Mehrheit oder überproportional schwarze Menschen in den Knessen sind in den USA, was natürlich stimmt, dann müssen wir, glaube ich, gucken, dass wir da nicht so was machen, was die viel Schwestern in ihrem ganz wichtigen Buch RaceCraft, als RaceCraft beschrieben haben.
00:54:06: Also, dass auch noch mal klar ist, diese Menschen sind nicht in den Knessen in den USA, weil sie schwarz sind, sondern wegen ihrer strukturellen Verordnung, wenn man so möchte.
00:54:15: in dieser Gesellschaft.
00:54:17: Also, wir sprechen hier von Menschen, die natürlich nachfahren sozusagen, die viel später ... Ins Konkurrenzverhältnis getreten sind zu anderen Arbeiten.
00:54:26: Das hat natürlich auch über die Jahrzehnte mit Bezug auf Zugang zu Bildungsstrukturen etc.
00:54:31: Es sind vielmehr auch strukturelle Dynamiken, als einfach zu sagen, weil die Leute schwarz sind.
00:54:36: Das ist mir sehr wichtig, diesen Klassenaspekt hervorzuheben, weil das bei Fragen von Polizei und Gefängnis manchmal so ein bisschen untergeht.
00:54:44: Und ich auch merke, dass Davis da auch nicht ... Sie macht das gar nicht so präzise.
00:54:50: Vor allem, wenn wir diese ... der after life of slavery These machen.
00:54:54: Ich glaube, das ist ein bestimmter Anteil der schwarzen Bevölkerung in den USA.
00:54:59: Vor allem Working-Class oder das sogenannte Subproletariat, die in den Knesten in den USA sind.
00:55:05: Somit natürlich auch weiße, marginalisierte, arbeitende auch.
00:55:10: In dem Sinne ist das Gefängnis eben nicht, weil das oft als so eine rassistische Institution.
00:55:14: Ich glaube, es ist wichtig, da noch mal zu sehen, was wir damit Rassismus eigentlich meinen.
00:55:19: Genau, die Zahlen sind ja auch sehr... Ja, selber nennt, ja, aber die auch gedeckt sind.
00:55:26: Ich hab das mir nochmal angeguckt bei den aktuellen Zahlen.
00:55:29: Das ist ja mehrheitlich, sind es ja also mit einer kleinen Mehrheit, prozentual sind es Latinas.
00:55:35: Genau.
00:55:35: Dann kommen Schwarze und dann kommen Weiße, die auch dann knapp bei dreißig Prozent liegen.
00:55:42: Also es sind nur wenige Prozentpunkte, Differenz dann eigentlich.
00:55:46: Und Native Americans, die spielen eine relativ große Rolle.
00:55:50: Ja, also auch... Klar, also es ist ja immer relevant, dass sie überdurchschnittlich in die Gefängnisse kommen, wenn man das vergleicht mit ihrem Anteil an der US-Hamerikanischen Bevölkerung.
00:56:02: Und aber wenn wir sagen, man möchte nicht nur die Überdurchschnittlichkeit aus... Gleichen, sondern das Gesamtproblem im Blick halten, dann ist es, glaube ich, wichtig zu sagen, dass natürlich Rassismus hier eine bestimmte Funktion hat, aber die nicht einfach darin liegt, weil die Menschen eine bestimmte Hautfarbe oder so haben, sondern dass das vielmehr mit ihrer ökonomischen Situation zu tun hat.
00:56:24: Ja, das ist jetzt natürlich eine eigene, interessante Diskussion.
00:56:28: die wir seit den neunziger Jahren als unter dem Stichwort Neorassismus führen, dass es eben nicht ein Hautfarbenproblem ist, sondern eben eine bestimmte Art der kulturell-politischen Herrschaftspraxis in unseren Gesellschaften.
00:56:43: Und das ist ja auch interessant, dass ja auch, wenn man jetzt an die Politik von Trump denkt, eben sehr, sehr stark diese rassistisch-neorassistische Haltung gegenüber den latinamerikanischen Zuwanderern.
00:56:58: Ja, also die ja viele Jahrzehnte schon in USA leben, dort geboren sind, ja aufgewachsen sind und dann wären sie trotzdem behandelt wie, ja, könnte man sagen unter Menschen.
00:57:09: Ja, also die wilde Bestien, Drogen und so weiter, also wo man denkt, sind wir wirklich unglaubliche.
00:57:17: brutale Stereotypen, die dann da verwendet werden.
00:57:21: Genau, aber das ist ein guter Punkt, dass sie da ein bisschen voreilig ist mit ihrer Rassismus-Argumentation.
00:57:27: Das ist doch da der Punkt.
00:57:28: Genau diese Frage des Rassismus, nämlich manchmal geht mir das zu schnell in der Kontinuität.
00:57:34: und wie du auch sagst, Rassismus verändert sich auch konjunkturell und gleichzeitig ist natürlich die Abolutionismus-Diskussion hat sehr, sehr viel mit Kämpfen gegen Fasklavon zu tun.
00:57:43: Und das ist, Davis bezieht sich ja auf den Begriff der abolitionistischen Demokratie oder der abolition-democracy auf Englisch und sie lehnt sich da sehr, sehr stark an Dubois an, an W. E. B. Dubois.
00:57:58: Schwarzer Soziologe, Marxist, Pan-Afrikanist, der in, würde ich sagen, einem seiner Grundlagen-Werke neustenunddreißig erschien, Black Reconstruction.
00:58:09: sich auseinandersetzt mit dem, was er den Generalstreik der versklavten Menschen nennt, in den USA, also der Sklaven.
00:58:15: Und welche Rolle dieser Generalstreik eigentlich gespielt hat für die formale Abschaffung der Sklaverei.
00:58:22: Das heißt, okay, ich kann das jetzt alles gar nicht so zusammenfassen, weil da würde die Zeit nicht für reichen.
00:58:28: Aber... Er versteht Sklaven, die Sklaven auf den Plantagen als Arbeiter.
00:58:32: Ich glaube, das ist schon noch mal sehr wichtig, weil er damit auch die Geschichte der Kämpfe gegen die Sklaverei einreit in eine globale Arbeiterbewegung.
00:58:40: Er geht dann von diesen Widerständen aus und der Begriff der abolitionistischen Demokratie, der wird ambivalent eingeführt.
00:58:47: Weil ich finde, ich habe nämlich nochmal nachgeschaut, dass sich viele Abolutionistinnen eigentlich sehr positiv auf diesen Begriff beziehen.
00:58:54: Und das macht auch Sinn.
00:58:55: Aber Du Bois spricht eigentlich von zwei unterschiedlichen Formen der abolitionistischen Demokratie.
00:59:01: Also er sagt eigentlich in Black Reconstruction, es gibt eine liberale abolitionistische Demokratie,
00:59:06: die
00:59:07: eigentlich nur... vor dem Hintergrund von Rechtsfragen verhandelt wurde.
00:59:13: Also der rechtliche Status von Menschen als Sklaven wurde abgeschafft.
00:59:18: Sie waren dann keine Sklaven mehr, aber sind praktisch in das Lohnarbeitsverhältnis integriert worden.
00:59:23: Und das ist für ihn die liberale evolutionistische Demokratie.
00:59:28: Also praktisch eine Art Gleichstellogen in den Lohnarbeiterstaaten.
00:59:32: Genau.
00:59:32: Und das ist, was er kritisiert, weil er eigentlich sagt, eine radikale abolitionistische Demokratie müsste die sein, also die Demokratiebewegung, die radikale Demokratisierung, die die Verhältnisse abschafft, die sowas wie Sklaverei und Ausbeutung überhaupt ermöglichen.
00:59:49: Ja, das ist das Stichwort auch für Davies.
00:59:52: Wir brauchen Verhältnisse, in der es ganz viele Typen von Kriminalität nicht gibt.
00:59:58: Genau.
00:59:59: Und mit Du Bois weitet sie das auch noch.
01:00:01: Also, dass es bei ihr nicht nur um das Gefängnis geht, sondern zur Abolutionistischen Demokratie ist eigentlich diese Doppelbewegung einer Negation, der... gesellschaftlichen Verhältnisse, die sowas wie Ausbeutung von Arbeitskraft unterschiedliche Unterdrückungsformen, Strafregime etc.
01:00:22: hervorbringen.
01:00:24: Also eine Negation dessen, aber ein Aufbau von Institutionen, in denen die Verhältnisse von Menschen zueinander, die sozialen Reproduktionen anders organisiert ist.
01:00:37: Vanessa, darf ich, weil wir ja auch ein bisschen von der Zeit ... jetzt zum Ende kommen müssen, darf ich die eine Frage stellen, die ich im Zusammenhang der Arbeiten von Heinz Steinert und Sebastian Scherer mich gefragt habe.
01:00:55: Angela Davis hört ja auch in dem Buch mit so einer Frage auf, versucht eine Antwort zu geben.
01:01:01: Kann man sich eine Gesellschaft ohne Strafe und Gefängnisse vorstellen?
01:01:07: Also, sie kritisiert diese Selbstverständlichkeit und quasi natürlichkeit.
01:01:13: Aber gleichzeitig hatte sowas kontraintuitives zu denken.
01:01:19: Ja, da begehen Menschen schwere Delikte.
01:01:23: Also, wir reden jetzt nicht über Drogen, Missbrauch oder so, sondern wirklich schweren Mord, was immer das dann ist.
01:01:30: Also darüber kommt man ja auch schnell ins Nachdenken.
01:01:34: Und dann... Ja, gibt's diesen Vorschlag, Gefängnisse abschaffen, schließen.
01:01:40: Und wie ist das?
01:01:41: Also ich frage deswegen, weil ich das so interessant finde, dass auch jemand wie Foucault, der das ja lange befürwortet hat, dann in den weiteren Arbeiten Mitte der siebzehr Jahre, dann sagt, na ja, wir wollen die Verhältnisse ändern, dass es sie nicht mehr gibt, aber einfach Gefängnisse schließen geht so nicht.
01:02:02: Ja, also weil er auch in den... ganzen politischen Zusammenarbeit mit Gefängnisinsassen merkt.
01:02:09: Na ja, so ganz harmlos sind diese Leute auch oft dicht.
01:02:13: Die Arbeiten mit der Polizei zusammen sind spitze, tatsächlich auch gewalttätig gegenüber den kritischen Linkenkräften der Gesellschaft.
01:02:23: Also es entstehen sozusagen ganz neue Gesichtspunkte dann in der konkreten Arbeit.
01:02:28: Ja, total.
01:02:29: Das sagt Davies auch in anderen Arbeiten wesentlich und andere Evolutionistinnen, auch wie Gilme oder so, die sagen, wenn wir sagen, es geht um die Abschaffung von Gefängnissen, dann ist es Teil von einer radikalen Transformation von Gesellschaft.
01:02:43: Also es geht nicht einfach nur darum zu sagen, okay, jetzt knäste auf alle raus, sondern es geht eigentlich um eine radikale, gesellschaftliche Transformation.
01:02:52: zu dem Hinarbeiten einer Welt in der Gefängnisse nicht mehr notwendig sind.
01:02:57: Und ich glaube, das ist wichtig.
01:03:00: Also, ich glaube, niemand würde sagen Abolitionismus zu sagen, Gefängnisse sofort auf, sondern es braucht ganz andere Strukturen.
01:03:07: Obwohl, ich glaube, ein paar Sachen könnten jetzt sofort gemacht werden, tatsächlich.
01:03:13: Ja, natürlich, klar.
01:03:14: Also ich meine, Sie selber spricht es an, was wir ja heute auch als Realität haben, also die Entkriminalisierung der Drogen.
01:03:22: Das wäre ja ein wichtiger Punkt.
01:03:24: Der
01:03:24: Arm und der Migration.
01:03:25: Eine
01:03:26: bessere Schulbildung, Stabilisierung der Familienverhältnisse, zum Beispiel durch eine bessere Sozialhilfe oder sozialstaatliche Förderung.
01:03:36: Gesundheitspolitik total.
01:03:39: Ja, also wenn man denkt, was jetzt in den USA passiert mit dem Abbau der öffentlichen medizinischen Fürsorge, ja, also Medicare, ja und dann Medigate und da denkt man, na ja, das ist so zerstörerisch, aber das ist ja genau das, was wir ja auch in klar alles auf niedrigeren Niveau, aber auch in Deutschland ja durchaus sehen und auch befürchten müssen.
01:04:05: Total,
01:04:06: ja.
01:04:07: Ja, vielen Dank dir für deine Zeit.
01:04:09: Ja,
01:04:09: super.
01:04:10: Dankeschön.