00:00:00: "Too Long Didn't Read" der Theorie Podcast der Rosa Luxemburg Stiftung.
00:00:16: Hallo, ich begrüße euch zum Theorie Podcast der Rosa Luxemburg Stiftung, mein Name ist
00:00:23: Alex Demirovich. In dieser Episode wollen wir Band 2 des Kapitals von Karl Marx behandeln.
00:00:32: Zur Biografie muss ich jetzt nicht so viel sagen zum Kontext, also Marx ist 1818 geboren,
00:00:40: 1883 in London gestorben. Das wurde ja in vorherigen Podcasts auch schon ein bisschen erläutert,
00:00:48: deswegen komme ich jetzt eher gleich auf diesen Band zu sprechen. Dieser Band, Band 2, besteht aus
00:00:59: Manuskrippen, er wurde von Marx nicht fertiggestellt. Friedrich Engels wurde von Marx sozusagen kurz vor
00:01:07: seinem Tod, also durch die Tochter übermittelt gebeten, die Manuskripte so anzuordnen, dass
00:01:15: daraus ein lesbarer Text wird, das hat Friedrich Engels gemacht. Der Text ist also zusammengesetzt
00:01:22: aus Teilen, Manuskripten, halbfertigen Manuskripten, manche mehr ausgearbeitet, manche nur bruchstückhaft
00:01:30: und Engels hat versucht es im Sinne der Logik des Arguments darzulegen. Der Text wurde dann eben
00:01:39: als Band 2 veröffentlicht in 1884, also entspricht sozusagen der Vorstellung von Marx, diese drei
00:01:48: Bände zu schreiben, der Produktionsprozess des Kapitals im Band 1, hier jetzt der Zirkulationsprozess
00:01:55: des Kapitals und dann im Band 3, der ja auch nicht fertiggestellt wurde, der Gesamtprozess des
00:02:03: Kapitals. Also das muss man, wenn man den Text liest, glaube ich, wirklich im Blick behalten,
00:02:08: dass es sich um einen provisorischen Text handelt. Der Text ist deswegen in einer gewissen Weise auch
00:02:16: ziemlich spröde, muss man sagen. Also ich glaube, dass wenn Marx die Gelegenheit gehabt hätte,
00:02:22: daran noch weiter zu arbeiten, dass er viele Kapitalismus-theoretische Überlegungen noch
00:02:30: weiter eingeflochten hätte und Konsequenzen seiner Argumentation noch stärker verdeutlicht hat,
00:02:38: so muss man sich manchmal wirklich durch sehr formelle Texteile hindurchlesen, durch eigentlich
00:02:46: eine gut verständliche Formelsprache, aber es ist eben durchaus mühsam sich konzentriert dabei zu
00:02:55: verhalten, weil man kann es gut verstehen, aber es ist doch antpruchsvoll von der Formelsprache her
00:03:01: und man muss auch sagen, von einer gewissen Marx eigenen Genauigkeit, die dazu führt, dass
00:03:08: um einen Sachverhalt zu verstehen, das eigentlich ganz gut und schnell geht, aber die Formulierungen
00:03:16: dann oft sehr genau und dadurch auch sehr umständlich sind, also um die Komplexität des
00:03:22: Problems zu umkreisen. Diese Manuskripte zeigen, dass Marx an dem Thema der Zirkulation gearbeitet
00:03:31: hat mit den ersten Manuskripten 1861 bis 1963 und bis Ende der 70er Jahre, also nach Erschein des
00:03:40: ersten Bandes Kapitals, auch an diesen Fragen noch weiter gearbeitet hat bis 1878. Wenn man
00:03:47: jetzt sich überlegt, worum geht es ihm, dann kann man sagen, im Band 1 hat er den Produktionsprozess
00:03:57: des Kapitals analysiert, also das Problem des Austauschs zwischen Kapital und Arbeit und die
00:04:07: Produktion des Mehrwerts, also Prozesse der Ausbeutung im Verhältnis von Kapitalist und
00:04:15: Lohnarbeitenden. Das heißt für ihn, das ist ja zentral für seine ganze Theorie, geht es darum,
00:04:23: zu zeigen, zu beweisen, dass der Gewinn des Kapitals in der Produktion entsteht, also in diesem
00:04:32: merkwürdigen Zustand, den Marx dann auch schildert, dass eben auf der Zirkulationsebene
00:04:39: Kapital und Lohnarbeit, also die beiden Akteure Verträge eingehen und dann eben Wachen getauscht
00:04:47: werden und das Rätsel der politischen Ökonomie, der bürgerlichen politischen Ökonomie immer ist,
00:04:53: woher kommt eigentlich der Reichtum, der Kapitaleigentümer und häufig wird es eben erklärt
00:05:01: durch den Zirkulationsprozess, also durch das teurer Verkaufen als Kaufen, also letztlich eine
00:05:10: Annahme, dass es sowas gibt wie einen Betrug, dass der Gewinn aus dem Zirkulationsprozess,
00:05:17: dem Prozess des Verkaufens von Waren entsteht und man könnte sagen, eine der durchgehenden
00:05:24: Argumentationslinien in diesem Manuskripten des zweiten Bands ist, zu zeigen, dass das nicht
00:05:31: der Fall ist, dass eben in der Zirkulationsphäre kein Mehrwert erzeugt wird, sondern das Kapital,
00:05:39: also der Wert des Kapitals und der Mehrwert eben prozessiert wird durch diese Prozesse der
00:05:47: Zirkulation hindurch. Wenn man nochmal an den ersten Band denkt, dann ist eben interessant,
00:05:58: dass Marx entlang von drei begrifflichen Unterscheidungen operiert, also er beginnt mit der Unterscheidung
00:06:08: von Tauschwert und Gebrauchswert, mit der These, dass der Springpunkt der politischen
00:06:15: Ökonomie eben genau diese Unterscheidung von Tauschwert und Gebrauchswert ist und
00:06:20: dass die bürgerliche Ökonomie das eigentlich nicht unterscheiden kann, also diese Besonderheit,
00:06:27: dass es eben gar nicht um Bedürfnisse oder konkrete Gebraucheigenschaften geht, sondern
00:06:32: um die Verwertung von Kapital, dass darin das Moment der Ausbeutung der Aneignung von
00:06:39: Arbeitskraft anderer Menschen besteht und dass es eben immer um diese Tauschwertseite
00:06:45: geht, sodass Gebrauchswert und Tauschwert durchaus auch in ein konfliktreiches Verhältnis
00:06:52: zueinander treten und der Tauschwert die Gestalt von Geld annimmt und das Mittel ist, mit dem
00:06:59: auch dann die Gebrauchswerte zirkuliert werden. Ein zweiter, wichtiger, zentrale Unterscheidung
00:07:06: im Band 1 ist die Unterscheidung von Konstantem und Variablem Kapital. Das heißt, die Unterscheidung
00:07:16: betrifft die Investition in konstantes Kapital, also Maschinen, also Produktionsmittel oder
00:07:25: Rohstoffe, die dann eben verarbeitet werden und der Kapitaleigentümer legt einen Teil
00:07:32: dieses Kapitals aus in der Form des variablen Kapitals. Das heißt, er geht Verträge mit
00:07:40: Lohnabhängigen ein, die er vorfinden muss. Das ist ein wichtiger Punkt, auf den ich dann
00:07:45: auch noch zurückkommen werde. Also die Auslage in die Arbeitskraft, die eben dann diese Produktionsmittel
00:07:53: einsetzt und Waren für den Markt produziert. Die letzte Unterscheidung ist die von Absolutum
00:08:00: und Relativenmehrwert im ersten Band. Also die wichtige Unterscheidung, dass die Aneignung
00:08:07: von Mehrarbeit in zwei Formen stattfinden kann, nämlich durch eine Verteilung der notwendigen
00:08:15: Arbeit, die Lohnabhängige leisten müssen, um sich selbst zu reproduzieren und ein Anteil,
00:08:23: der eben einen Überschuss ist, der an die Kapitaleigentümer geht. Das ist sozusagen
00:08:29: in der Länge, dass Arbeitstags verteilt und dann gibt es eben den Relativenmehrwert dieser
00:08:36: Begriff, der darauf zielt, die Intensität der Arbeit zu bezeichnen, also die Verdichtung
00:08:43: von Arbeitsprozessen durch eine immer höhere Produktivität der Organisation des Arbeitsprozesses
00:08:51: durch bessere Kooperationsbedingungen oder durch Maschinen, also durch Beschleunigung
00:08:57: der Prozesse, die den Arbeitsalltag hochgradig verdichtet und mehr an Mehrarbeit auspressen
00:09:06: kann. Wenn man jetzt den Band 2 nimmt, also Zirkulationsprozess des Kapitals, dann arbeitet
00:09:13: Marx hier mit drei wichtigen, begrifflichen Unterscheidungen. Das ist zunächst mal die
00:09:21: Unterscheidung von fixem und zirkulierendem Kapital, von einfacher und erweiteter Reproduktion
00:09:29: des Kapitals und das wird eben dargestellt in der Unterscheidung der verschiedenen Abteilungen
00:09:37: des Kapitals, also der Abteilung, die mit der Produktion von Produktionsmittel befasst
00:09:43: ist und der Abteilung zwei, die sich mit der Produktion von Konsumtionsmittel befasst.
00:09:49: Soweit erstmal diese grobe Struktur oder begriffliche Anlage und wenn man jetzt sich
00:09:55: das anschaut, dann ist der Band zur Zirkulation in drei Teile gekliedert. Der erste Teil betrifft
00:10:04: die Metamorphosen des Kapitals. Der zweite Teil betrifft den Umschlag des Kapitals. Hier
00:10:12: werden die Begriffe von fixen und zirkulierendem Kapital entwickelt und der dritte Teil beschäftigt
00:10:18: sich mit der Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals und
00:10:25: hier geht es um die Begriffe einfache und erweiterte Reproduktion.
00:10:31: Der erste lange Abschnitt befasst sich mit den Kreislaufprozessen, den Prozessen der
00:10:44: Metamorphose. Das heißt, das Kapital wird jetzt hier in den Blick genommen unter dem
00:10:50: Gesichtspunkt, dass es eigentlich ein gekliederter Prozess ist, ja also aus der Produktion ergeben
00:10:58: sich eben Waren und Marx geht jetzt demnach, wie genau diese Gliederung sich weiter darstellt
00:11:05: und es stellt sich für ihn so dar, dass er drei Kreisläufe unterscheidet, die aber zusammen
00:11:14: den Kreislauf der Zirkulation bilden. Also er unterscheidet zwischen dem Kreislauf des
00:11:23: Geldkapitals, also das ist Geld, Geld tauscht sich in Ware und Ware wird eingesetzt, also
00:11:33: Produktionsmittel, Rohstoffe, dann die Lohnarbeit, die Arbeitskraft, das setzt sich um in die
00:11:40: Produktion von Waren. Diese Waren müssen dann selbst wieder am Markt verkauft werden
00:11:47: und der Unternehmer, der Kapitaleigentümer bekommt sozusagen das Geld zurück, was er
00:11:54: eingesetzt hat, um diesen Produktionsprozess in Gang zu setzen und da es sich um kapitalistische
00:12:00: Warenproduktion handelt, ist das, was er zurück bekommt oder hofft zurück zu bekommen, mehr
00:12:07: als er in diesen Prozess hineingegeben hat. Also Marx beschreibt diesen Kreislauf als
00:12:15: Geld, Ware, Produktion und dann mehr Ware und mehr Geld. Also in seinen Zeichnungen ist
00:12:23: es dann GWPW Stich, also nur um das anzudeuten. Das ist der erste Kreislauf, der zweite Kreislauf
00:12:33: ist der Kreislauf, der mit der Produktion beginnt, also nicht mit Geldkapital, sondern
00:12:40: produktiven Kapital. Das ist die Unterscheidung und dann eben zu dem Ergebnis führt von
00:12:46: Waren, die dann verkauft werden gegen Geld, also immer ein Äquivalent und dann kehrt
00:12:53: das zurück als Geld und wird erneut investiert, neu ausgelegt in Produktion und dabei geht
00:13:01: es Marx zur Folge, das ist ja der Gesamtzusammenhang der Theorie, immer um Kapitalmaximierung,
00:13:09: also Verwertung von Kapital und das heißt ein Mehrwert zu produzieren, Mehrwert als
00:13:17: vorher vorhanden war, der von den Kapitaleigentümern angeeignet wird. Der dritte Kreislauf ist
00:13:26: der von Waren, also das heißt es sind ja immer dieselben Elemente, in dem Fall wird eben
00:13:32: aus dem Blickwinkel des Warenkapitals der Kreislauf rekonstruiert, das ist Ware, Ware
00:13:39: muss verkauft werden gegen Geld, Geld wird eingesetzt zur Produktion von Waren um dann
00:13:47: eben wieder zu Geld zu werden, also auf dem Markt. Das heißt drei Kreisläufe, jeder Kreislauf
00:13:55: wird von Marx thematisiert unter dem Gesichtspunkt eines selbständigen eigentümlichen Prozesses,
00:14:03: nämlich der Kreislauf von Geldkapital, der Kreislauf von Produktivenkapital und der
00:14:09: Kreislauf von Warenkapital. Für Marx ist entscheidend, dass diese Kreisläufe zusammen
00:14:16: eine Einheit bilden, also die kapitalistische Ökonomie stellt sich eben da als ein Kreislauf
00:14:25: von Kreisläufen, in einem, ich zitiere das mal, in einem beständigen rotierenden Kreis
00:14:32: ist jeder Punkt zugleich Ausgangspunkt und Punkt der Rückkehr. Das heißt wir haben hier
00:14:39: ein Kreislauf von Kreisläufen und für Marx ist das eben jetzt ein entscheidender Gesichtspunkt,
00:14:47: das in diesem Prozess ein Mehrwert entsteht, der in diesem Prozess selbst mit so prozessiert
00:14:54: werden muss. Also in Wirklichkeit aber befindet sich jedes individuelle industrielle Kapital
00:15:03: in allen drei Kreisläufen zugleich, die drei Kreisläufe, die Reproduktionsform der drei
00:15:11: Gestalten des Kapitals vollziehen sich kontinuierlich nebeneinander. Also das, was Metamorphose
00:15:18: ist, ja also das Kapital nimmt die Form des Geldkapitals an, nimmt die Form des produktiven
00:15:27: Kapitals an, also Produktionsmittel plus Arbeitskräfte oder nimmt die Form des wahren Kapitals
00:15:35: an. Das ist das, was Marx Metamorphose bezeichnet, weil es jeweils sich um eine spezifische Form
00:15:43: handelt, in dem sich das Kapital bewegt. Wenn es Geld ist, kann es nicht produzieren. Wenn
00:15:50: es produktives Kapital ist, dann kann es noch nicht auf den Markt gehen. Das heißt es ist ein
00:15:56: funktionaler Kreislauf von Kreisläufen, der eben dann auf sich selbst zurück kommt. Also der kann
00:16:04: mit Geld beginnen und hört mit Geld auf, er kann mit Ware beginnen und muss wieder zu Ware
00:16:09: werden. Und der Gesamtkreislauf ist eben ein Prozess, in dem diese verschiedenen Kreisläufe
00:16:16: jeweils auf sich zurückkommen und damit den gesamten Prozess des Kapitals reproduzieren. Nicht
00:16:24: alle Formen von Kapitalreproduktion sind gleich mit Zirkulation. Also manche Wachen fallen dann
00:16:32: auch aus dem Prozess raus. Also sind dann nicht mehr wichtig für die Kapitalreproduktion. Also
00:16:39: wenn wir an Konsumgüter denken oder Dienstleistungen, dann fallen die aus diesem Prozess der
00:16:46: Reproduktion und aus dem Zirkulationsprozess raus. Das heißt, Marx nimmt die Gesamtheit dieser
00:16:53: beiden Prozesse in den Blick und macht eine vorsichtliche Unterscheidung von Zirkulationsprozess
00:17:01: und Reproduktionsprozess des Kapitals. Also der Reproduktionsprozess des Kapitals ist in
00:17:07: diesen weiteren Zirkulationsprozess eingefasst. Dieser Prozess, der Reproduktion des Kapitals
00:17:21: verläuft flüssig, kontinuierlich und das Kapital verändert immer seine Form. Aber das, was eben
00:17:30: jetzt erstmal in der Darstellung, jetzt auch in meinen Ausführungen, wie ein Prozess erscheint,
00:17:37: der nacheinander sich vollzieht, handelt es sich real um ein Prozess, der gleichzeitig und
00:17:43: nebeneinander abgeschieht. Das ist für Marx ein wichtiger Gesichtspunkt, um genau das Kapitalverhältnis
00:17:51: zu beschreiben. Es ist nicht sinnvoll anzunehmen, dass der Kapitaleigentümer mit einem einmaligen
00:17:58: Betrag in den Prozess der Produktion reingeht, also erstmal die Produktionsmittelkauf, die
00:18:05: Arbeitskräfte anheuert, um dann in einem einmaligen Prozess diese Waren zu erzeugen und dann in
00:18:12: einem einmaligen Prozess diese Waren auf den Markt zu bringen, sondern genau genommen finden
00:18:18: alle drei Formen, also diese Metamorphosen, die nacheinander erscheinen, finden gleichzeitig
00:18:26: statt. Das heißt, der Kapitaleigentümer muss um den Prozess kontinuierlich und flüssig zu
00:18:32: organisieren, genügend Kapital haben, um diese Metamorphosen sozusagen kontinuierlich,
00:18:40: gleichzeitig zu organisieren, also genügend Kapital für den Neukauf von Produktionsmittel
00:18:47: und Arbeitskräften, wenn der Prozess stattfindet. Und wenn das Ergebnis die Waren auf den Markt
00:18:56: sind, muss er schon wiederum gleichzeitig die Mittel zur Verfügung haben, um erneut genau diese
00:19:04: Prozesse von neuem in Gang zu setzen. Das heißt, es geht dabei auch um die Umschläge, also dass
00:19:12: Kapital in einem solchen Fließprozess drin ist und dabei auch zirkuliert. Die Zirkulation,
00:19:21: das ist wichtig für die gesamte Argumentation dieses Buches, die Zirkulation erfordert Zeit. Also
00:19:29: das Kapitalverhältnis ist eben ein komplexe Glieder des Verhältnisses, nämlich in den verschiedenen
00:19:37: Formen, die das Kapital durchläuft und dieser Prozess des Durchlaufens der verschiedenen Formen
00:19:44: kostet Zeit. Also bis eben der Kapitaleigentümer die Produktionsmittel eingekauft hat, die Lohnarbeiter
00:19:52: findet dann der Produktionsprozess als solcher, dauert seine Zeit und dann müssen die Waren
00:20:00: verkauft werden an den Märkten. Das heißt, jeder dieser Prozesse dauert und das Kapital ist in
00:20:08: einem fließenden Prozess. Deswegen unterscheidet dann Marx auch weiter im folgenden zwischen fixen
00:20:17: und zirkulierendem Kapital. Aber bevor ich darauf komme, noch der Gesichtspunkt, dass der
00:20:24: Zirkulationsprozess eine eigene Dynamik im Verhältnis zum Produktionsprozess beinhaltet,
00:20:32: weil es eben bedeutet, dass der Kapitaleigentümer ein größeres Volumen, ein Kapital zur Verfügung
00:20:39: haben muss und dass ihn zwingt, diesen Prozess aufrecht zu erhalten, Märkte zu organisieren,
00:20:46: also die Produktionsmittel zu erwerben, die notwendig sind, damit er diesen Produktionsprozess
00:20:53: organisieren kann. Wichtig an der Überlegung von Marx ist ja, dass er das jetzt in der Form beschreibt,
00:21:06: dass es sich um einen, wie kann man sagen, einen reinen Prozesshandel, der funktioniert, also die
00:21:13: Metamorphosen vollziehen sich. Aber genau genommen thematisiert er indirekt etwas, was für die
00:21:21: Argumentation des Buches wichtig ist, wird von ihm nicht ausführlich dargelegt, nämlich dass es
00:21:26: sich auch um krisentheoretische Überlegungen handelt, weil ja in den Metamorphosen jeweils eine
00:21:32: Stockung zustande kommen kann. Also der Kapitaleigentümer, bevor er in den Produktionsprozess
00:21:40: geht, findet nicht genügend Produktionsmittel, zum Beispiel Rohstoffe oder nicht genügend
00:21:48: Arbeitskräfte oder der Produktionsprozess stockt, weil Maschinen nicht richtig funktionieren,
00:21:56: ja oder die Lohnarbeiten in den Streiktreten oder er findet nicht genügend Käufer für seine
00:22:02: Waren. In jedem Fall kann es eben zu Stockungen kommen, das heißt Geld verwandelt sich nicht in
00:22:09: Ware, sondern bleibt Geld, das wird unproduktiv, es kann dann eventuell einen Schatz bilden, aber
00:22:16: der bleibt unproduktiv. Im Produktionsprozess kann es zur Störung kommen und beim Verkauf der Waren
00:22:22: kann es dazu führen, dass die Waren nicht absetzbar sind, also keine Käufer zu finden sind oder die
00:22:30: Waren real einen Wertverlust erlitten haben, also die erhofften Preise, also das Äquivalent für
00:22:37: den Wert, dann nicht erzielt werden können. Das heißt der gesamte Kreislauf kann immer wieder
00:22:43: krisenhaft sein, das gehört zur Durchschnittsbewegung, die ja anspricht, also diese Stockungen ohne
00:22:50: jetzt wirklich daraus schon krisentheoretische Überlegungen zu entwickeln, genauso macht er auch
00:22:57: deutlich, dass aus dem Prozess heraus selbst ja so etwas stattfinden kann wie eine Schatzbildung,
00:23:05: also das heißt Waren werden verkauft in großem Umfang, aber es kann sein, dass jetzt der
00:23:14: Produktionsprozess fortgesetzt werden kann, aber keine neuen Maschinen notwendig sind.
00:23:22: Dazu ist wichtig die begriffliche Unterscheidung von fixem und zirkulierendem Kapital kurz
00:23:29: erläutern. Fixes Kapital, das sind eben Gebäude oder Maschinen, also wenn man so will, infrastrukturelle
00:23:36: Einrichtung, die den Wert an die Produkte abgeben, also eine Maschine, von der im Durchschnitt erwartet
00:23:43: wird, dass sie zehn Jahre Lebenszeit hat, gibt in diesen zehn Jahren jeweils ein Zehntel ihres
00:23:51: Wertes, anderes Produkt, die hergestellten Waren ab. Wenn die Waren entsprechend vollständig
00:23:58: verkauft werden können, dann kommt sozusagen mit jedem Umschlag ein Zehntel des Werts der
00:24:06: Maschine zurück an den Kapitaleigentümer, aber es lohnt sich für ihn erst mal nicht
00:24:11: so die Annahme gleich eine neue Maschine zu kaufen und einzusetzen, sondern eher jetzt
00:24:17: abzuwarten, bis eben der Gesamtbetrag der Investition zurückgekommen ist, also nach zehn Jahren,
00:24:25: also die 100% des Maschinenwärts. Und in dieser Zwischenzeit liegt das Kapitalprar, also das
00:24:32: ist das, was Marx Schatzbildung nennt. Aus seiner Sicht ist es deswegen interessant,
00:24:38: weil dieses Geld eingesetzt wird, also aus dem Prozess der Zirkulation heraus kann dann
00:24:45: schon so etwas entstehen wie die Kreditfunktion des Kreditgelds und eben auch Banken. Das geht ja
00:24:52: in beide Richtungen, nämlich das Unternehmer auch, um die Zeit zu überbrücken, also um die
00:25:00: Metamorphosenreihe beginnen zu können, obwohl sie noch gar nicht so viel Kapital akkumuliert haben,
00:25:08: Kredite aufnehmen und dann Schulden eingehen, um genau diesen Prozess einzugehen, also das heißt
00:25:16: ein bestimmtes Volumen an Vorräten der Waren, die sie brauchen als Vorprodukte, Rohprodukte,
00:25:23: die zu kaufen und einzulagern oder eben eine Maschine, also eine neuere Maschine, die im
00:25:30: höhere Produktivität hat, obwohl die alte Maschine sich noch nicht ausreichend verwertet hat,
00:25:36: aber Unternehmer dann überlegen, dass sie konkurrenzfähig bleiben müssen mit dem
00:25:42: höheren Anteil an relativen Mehrwert. Marx zufolge ist ein relevanter Gesichtspunkt,
00:25:50: dass die Geldform länger in der Form von Kapital verharren kann als die Warenform. Die Warenform
00:26:01: ist anfällig für Schädigung, also das eben Getreide schimmlich wird oder verfault oder
00:26:09: bestimmte Produktionsmittel, wenn sie lange Lagern nicht mehr gut nutzbar sind, weil sie
00:26:14: rosten und so weiter, also deswegen ist es eben immer wieder wichtig zu überlegen, lohnt es sich
00:26:20: jetzt schon in Waren zu investieren oder das noch in der Geldform zu bewahren. Das heißt,
00:26:28: Marx thematisiert die Bildung von Kredit- und Bankenfunktionen schon in diesem zweiten Band
00:26:37: als Ergebnis von Zirkulationsprozessen selbst, dass weil die Zirkulation diese manchmal langen
00:26:45: Zeiträume braucht, dann eben Geld eingesetzt werden kann für andere Kapitaleigentümer.
00:26:53: Ein wichtiger Aspekt dabei ist genau das, was man sagen kann, was Vorratsbildung ist. Also man
00:27:00: könnte sagen, Marx thematisiert das, was wir seit den 1990er Jahren im Zuge der Globalisierung
00:27:07: vielfach diskutiert haben, also Lieferketten, dass er sagt, es geht um Schnelligkeit, also
00:27:13: Geschwindigkeit, Sicherheit, also dass es ein flüssig organisierter Prozess ist, der in der
00:27:19: globalen Ökonomie sich vollziehen kann, also dass eben komplexe Logistiksysteme gibt, die in der
00:27:26: Lage sind, die Waren schnell zur Verfügung zu stellen, weil je schneller und sicherer diese
00:27:33: Prozesse organisiert sind, umso weniger unproduktiv gebundenes Kapital ist dann notwendig. Das heißt,
00:27:42: man kann sich praktisch darauf verlassen, dass man keine großen Vorräte anlegen muss,
00:27:47: sondern sehr, sehr schnell agieren kann. Das ist eine Erfahrung, die Marx hier schildert, die dann in
00:27:54: der jüngeren Zeit während der Pandemie gemacht wurden, wo dann eben Lieferketten erheblich
00:27:59: gestört waren, weil eben an den Häfen nicht gearbeitet wurde wegen der Pandemie oder auch wenn
00:28:06: Lieferketten unterbrochen werden durch militärische Vorgänge, wie jetzt zum Beispiel die Konflikte
00:28:12: am Horn von Afrika und Jemen, dass die Transportwege politisch-militärisch eben bedroht sind und
00:28:21: damit diese Fließprozesse gestört werden. Wenn Marx über fixes und zirkulierendes Kapital spricht,
00:28:34: dann ist auch interessant. Ich habe jetzt schon angesprochen, der Zeitaufwand, der mit der
00:28:40: Zirkulation verbunden ist, wendet sich auch der ganzen Frage des Transports zu und betont eben so,
00:28:48: wie er das auch bezogen auf Kaufleute thematisiert. Da wird kein eigener Wert geschaffen. Aus der
00:28:55: Zirkulation entsteht also kein Wert und kein Mehrwert. Das gilt auch für den Transport. Aber
00:29:03: der Transport kann dazu beitragen, dass weniger Kapital eingesetzt werden muss. Das heißt je billiger
00:29:12: der Transport ist, je schneller dieser Prozess sich vollziehen kann, umso weniger Kapital muss
00:29:19: unproduktiv dafür verwendet werden. Es ist interessant, es gibt so einige Seiten, auf denen er
00:29:27: diese Fragen dann verhandelt entlang von Gebäude, also Immobilien. Und was ich auch sehr schön und
00:29:35: lesenswert finde, sind die Passagen, in denen er sich über die Eisenbahnen äußert und den Eisenbahntransport
00:29:42: und da die Umschlagzeiten eben thematisiert, also wie da genaue Berechnungen dann auch gemacht
00:29:50: werden, wie viel Geldeinheiten die Erhaltung, die Erneuerung einer Bahnmeile kostet. Ja, also
00:29:59: dass eben der Prozess der Erneuerung, der Reparatur des Ersatzes ständig stattfindet. Also
00:30:06: wenn man so will ein bisschen anders als das jetzt in den letzten Jahrzehnten in der Bundesrepublik
00:30:12: geschehen ist, wo man im Prinzip lange Jahre das Ganze hat irgendwie verrotten lassen und nicht
00:30:19: erneuert hat und nicht repariert hat und jetzt eben hohe Kosten damit sich verbinden und dysfunktionale
00:30:26: Prozesse der Transportstörung, weil eben genau diese Kontinuität nicht stattgefunden hat, also
00:30:33: im wenn man so will im rollenden fließenden Prozess zu erneuern. Also man hätte dem Bahnmanagement
00:30:40: empfehlen können, die entsprechenden Seiten hier in Bahn 2 des Kapitals zu lesen. Der dritte
00:30:53: Abschnitt, der sich mit der Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals
00:31:00: befasst, der geht jetzt auf diese Frage ein, dass das Kapital wiederum unterschieden ist in die Form
00:31:11: der Produktion von Produktionsmittel und in die Form der Produktion von Konsummittel. Das heißt,
00:31:18: diese zwei Abteilung und Marx diskutiert jetzt auf diesen Seiten formell die Austauschbeziehung
00:31:27: zwischen diesen beiden Teilen des Kapitals. Also das heißt Abteilung 1 besteht aus konstantem und
00:31:35: variablem Kapital, also Auslagen für Produktionsmittel und Arbeitskräfte. Und jetzt muss eben dieser
00:31:44: Austausch so organisiert sein oder sich derart vollziehen, dass die Lohnabhängigen und die
00:31:51: Kapitaleigentümer in Abteilung 1, also Produktionsmittelhersteller, genügend Konsummittel
00:31:59: finden und das wiederum muss ermöglichen, dass sich der Prozess der Reproduktion in Abteilung 2,
00:32:07: also Konsummittel vollziehen kann. Das heißt, dort werden Produktionsmittel gekauft, der Abteilung 1,
00:32:15: um eben Konsummittel oder Luxusgüter zu erzeugen. Marx zeigt eben, wie dieser Prozess auch hier
00:32:23: kreislaufförmig sich vollzieht, also da kommt das sozusagen noch mal auf den Punkt. Mit der
00:32:30: Unterscheidung dieser beiden Abteilung thematisiert Marx, dass zunächst mal die einfache Reproduktion
00:32:39: gelingen muss, dass Kapitaleigentümer die Produktionsmittel herstellen und deren Lohnabhängigen,
00:32:48: dass die eben genügend Konsummittel von Abteilung 2 kaufen können und umgekehrt müssen die
00:32:56: Kapitaleigentümer von Abteilung 2 die Produktionsmittel von Abteilung 1 kaufen. Und das heißt, in der
00:33:04: einfachen Reproduktion kann man annehmen, dass dieser Prozess so verläuft, dass in der Gesamtsumme
00:33:12: das aufgeht und dann gibt es eben die erweiterte Reproduktion und Zirkulation des Kapitals,
00:33:21: in dem durch zunehmende Akkumulation, Aneignung von Mehrarbeit dieser Kreislauf sich immer weiter
00:33:28: erweitert durch Produktionsmittel. Aus diesen Prozessen genauso wie auch aus den Prozessen der
00:33:36: Metamorphosen können ständig Krisen entstehen, weil eben nicht gewährleistet ist, dass genügend
00:33:43: Nachfrage besteht, also wobei Marx ausdrücklich sagt, es geht nicht um Nachfrage, sondern um
00:33:49: zahlungsfähige Nachfrage, also sind die verschiedenen Teilgruppen von Kapitaleigentümern und Lohnabhängigen
00:34:00: in der Lage jeweils aus den anderen Abteilungen die Produkte zu kaufen und damit wird der
00:34:09: Gesamtprozess dann beschrieben. Marx macht es hier so, wie er das in dem ganzen Manuskripten
00:34:16: eben verfolgt, das ist der Versuch zu zeigen, so kann der Prozess idealerweise in seiner reinen
00:34:24: Form gelingen, also im Durchschnitt, aber zum Durchschnitt dieses Prozesses gehören eigentlich
00:34:30: auch immer Störungen, Unterbrechungen und krisenhafte Dynamiken. Die kapitalistische
00:34:43: Produktion produziert nicht nur Ware und Mehrwert, sie reproduziert und in stets erweiterten
00:34:50: Umfang die Klasse der Lohnarbeiter und verwandelt die ungeheure Majorität der unmittelbaren
00:34:56: Produzenten in Lohnarbeiter. Die selben Umstände, welche die Grundbedingungen der kapitalistischen
00:35:02: Produktion produzieren, das da sein einer Lohnarbeiterklasse, bewirken den Übergang aller
00:35:08: wahren Produktion in kapitalistische Warenproduktion. Im Umfang, wie diese sich entwickelt, wirkt
00:35:15: sie zersetzend und auflösend auf jede ältere Form der Produktion, die vorzugsweise auf
00:35:21: unmittelbaren Selbstbedarf gerichtet, nur den Überschuss des Produkts in Ware verwandelt.
00:35:26: Sie macht den Verkauf des Produkts zum Hauptinteresse, zunächst ohne scheinbar die Produktionsweise
00:35:34: selbst anzugreifen. Zweitens aber, wo sie Wurzel gegriffen, zerstört sie alle Formen
00:35:40: der Warenproduktion, die entweder auf Selbstarbeit der Produzenten gegründet oder bloß auf
00:35:46: dem Verkauf des überschüssigen Produkts als Ware. Sie verallgemeinert zuerst die Warenproduktion
00:35:53: und verwandelt dann stufenweise alle Warenproduktion in kapitalistische. Welches immer die gesellschaftlichen
00:35:59: Formen der Produktion, Arbeiter und Produktionsmittel bleiben stets ihre Faktoren. Aber die einen
00:36:07: und die anderen sind dies nur der Möglichkeit nach im Zustand ihrer Trennung voneinander.
00:36:12: Damit überhaupt produziert werde, müssen sie sich verbinden. Die besondere Art und
00:36:19: Weise, worin diese Verbindung bewerkstelligt wird, unterscheidet die verschiedenen ökonomischen
00:36:25: Epochen der Gesellschaftsstruktur.
00:36:27: Im vorliegenden Fall ist die Trennung des freien Arbeiters von seinen Produktionsmitteln
00:36:32: der gegebenen Ausgangspunkt und wir haben gesehen, wie unter welchen Bedingungen beide
00:36:37: in der Hand des Kapitalisten vereint werden, nämlich als produktive Daseinsweise seines
00:36:43: Kapitals.
00:36:44: Der wirkliche Prozess, den die so zusammengebrachten persönlichen und sachlichen Warenbildner
00:36:50: miteinander eingehen, der Produktionsprozess, wird daher selbst eine Funktion des Kapitals.
00:36:56: ► Kapitalistischer Produktionsprozess jeder Betrieb der Warenproduktion wird zugleich
00:37:03: Betrieb der Ausbeutung der Arbeitskraft, aber erst die kapitalistische Warenproduktion wird
00:37:09: so einer epochenmachenden Ausbeutungsweise, die in ihrer geschichtlichen Fortentwicklung
00:37:14: durch die Organisation des Arbeitsprozesses und die riesenhafte Ausbildung der Technik
00:37:19: die ganze ökonomische Struktur der Gesellschaft umwälzt und alle früheren Epochen unvergleichbar
00:37:26: übergipfelt.
00:37:27: *Musik*
00:37:28: Zum Gespräch über Marx, den zweiten Band des Kapitals, begrüße ich Christian Schmidt.
00:37:38: Hallo Christian.
00:37:39: Hallo.
00:37:40: Ja, freue ich mich, dass du da bist.
00:37:42: Christian, du bist Philosoph, arbeitest und leerst an der Humboldt-Universität in Berlin
00:37:49: und am Center for Social Critique, was ja auch zur Humboldt-Universität gehört.
00:37:54: Wenigstens zwei von den vielen Publikationen will ich erwähnen, Einschläge hier für
00:37:59: unser Gespräch ist jetzt Marx zur Einführung und der im letzten Jahr von dir mit herausgegebene
00:38:08: Band Ökonomie als Gesellschaftstheorie.
00:38:11: Vielleicht ist es ja auch erwähnenswert, dass du in der Marx-Herbstschule, die die
00:38:16: Rosa-Luxemburg-Stiftung ja seit vielen Jahren anbietet, den Band zwei behandelt hast.
00:38:23: Ja, vielleicht mal mit der Frage angefangen, wenn man das Buch liest.
00:38:28: Ja, also man liest ja ein unfertiges Buch, es besteht aus Manuskripten, die Engels zusammengestellt
00:38:34: hat, manches ist entwickelt, manchmal stehen die Dinge auch nicht in so einem ganz logisch-diskursiven
00:38:41: Zusammenhang, sondern es gibt dann auch immer wieder mal Brüche im Argument.
00:38:46: Es ist anstrengend zu lesen, das muss man sagen, ein bisschen Sprödertext.
00:38:50: Ja, das stimmt schon.
00:38:52: Warum liest man das?
00:38:54: Es ist ein bisschen technischer Text, also es werden ganz viele so technische Begriffe
00:38:57: eingeführt, fixes Kapital, flüssiges Kapital, Umschlagszeit, Produktionszeit und das ist
00:39:04: ja manchmal bei Marx im Kapital so, dass man denkt, das wiederholt sich doch jetzt zum
00:39:08: zehnten Mal, dieses Formel wird irgendwie von drei Seiten angeschaut, fängt man jetzt
00:39:12: mit der Produktion an und endet wieder bei der Produktion.
00:39:14: Du meinst die Metamorphosenanalyse?
00:39:16: Genau, diese ganzen Metamorphosenanalyse, also dieses typische GWG oder WGW, das ist
00:39:22: ja auch schon im ersten Band, da liest man die Szenen und denkt, hört das irgendwann
00:39:26: mal wieder auf?
00:39:27: Ja.
00:39:28: Oder welchen Sinn hat das überhaupt, dass er das so macht?
00:39:30: Und in gewisser Weise ist auch der zweite Band so technisch.
00:39:34: Ja, breiten die schon noch ein bisschen technischer, also was im ersten Band gibt es ja dann auch
00:39:40: diese Kampf um den Arbeitstag, diese eher sociologischen Passagen, wo die Leute sich dann aufatmen
00:39:45: und festhalten.
00:39:46: Die gibt es im zweiten Band nicht, dafür ist auch ein bisschen kürzer, aber das sind
00:39:50: sozusagen diese Sachen weggelassen.
00:39:52: Jetzt ist die Frage, warum ist das interessant?
00:39:53: Das ist zum einen interessant für Leute, die so die technischen Sachen verstehen wollen,
00:39:59: aber es ist auch interessant, weil hier verschiedene Themen angesprochen werden, die eigentlich
00:40:05: wichtig sind im Zusammenhang mit der ganzen Analyse des Kapitals, also wo kommen die Krisen
00:40:10: her?
00:40:11: Ist eine der großen Fragen, die da eine Rolle spielt.
00:40:14: Wie verhält sich das einzelne Kapital zu den anderen Kapitalen oder zum Kapital im
00:40:19: gesamten ist eine wichtige Frage, die eine Rolle spielt.
00:40:23: Und um diese Fragen beantworten zu können, ist eben diese technische Vorbereitung dann
00:40:28: doch ganz nützlich und sie macht zum anderen auch nochmal, ich finde, viel deutlicher als
00:40:32: im ersten Band und auch wieder im dritten Band, wie Marx eigentlich arbeitet.
00:40:37: Also es gibt ja dieses eine Vorwort, in dem er sagt, wir können nicht mit einem Skalpell
00:40:41: arbeiten, wenn wir uns der politischen Ökonomie nähern wollen und wir haben auch keine Reagenzien,
00:40:46: die uns die Analyse ermöglicht, wie in der Chemie, sondern wir müssen das mit Abstraktionen
00:40:50: machen.
00:40:51: Genau.
00:40:52: Und wie funktioniert eigentlich genau diese Abstraktion?
00:40:54: Und du hast gesagt, das sind unfertige Manuskripte, aber was das betrifft, sind die eigentlich
00:40:59: schon relativ klar strukturiert?
00:41:01: Genau, theoretisch sind sie ziemlich klar in genau dieser Hinsicht.
00:41:05: Ich finde auch, das sollten wir vielleicht wirklich mal kurz ein bisschen vertiefen,
00:41:11: weil ich finde, da gibt es so eine interessante Spannung in der Argumentation, dass er eigentlich
00:41:16: ja immer wieder sagt, er macht es im Durchschnitt der Bewegung, also er sucht gleichsam den
00:41:23: Prozess so begreiflich zu machen, dass er funktioniert.
00:41:27: Er sieht von allen Erschwernissen ab, von allem, was eben den Prozess unnormalerweise
00:41:34: stören könnte.
00:41:35: Gleichzeitig ist ja interessant, dass er gerade darin auch wiederum den Prozess der
00:41:41: Krisenhaftigkeit erläutert.
00:41:44: Also die Krise kommt nicht irgendwie zufällig und von außen rein, also berühmter schwarzer
00:41:50: Schwan, sondern eigentlich aus der Dynamik des Prozesses selbst.
00:41:55: Du hast jetzt Krise stark gemacht.
00:41:58: Ich finde, dass ja eigentlich das Buch unglaublich viele Hinweise gibt, aber nie krisenteuretisch
00:42:04: wird.
00:42:05: Ja, das hängt ein bisschen damit zusammen, wie die Kritik der politischen Ökonomie funktioniert.
00:42:10: Das Wort Kritik hat in Kritik der politischen Ökonomie verschiedene Bedeutungen, aber
00:42:16: eine ist eben die Kritik dieses Gesamtzusammenhangs und so wie Marx am ersten Band versucht deutlich
00:42:23: zu machen, warum es Ausbeutung geben kann, wenn auch niemand betrogen wird, also wenn
00:42:27: der gleiche und gerechte Tausch verwirklicht wird, das ist ja sowas, was du vor dem idealen
00:42:32: Durchschnitt genannt hast.
00:42:33: Ja, ja.
00:42:34: Immer wieder findet Betrug statt und immer wieder werden Leute bei uns hingezogen, aber
00:42:37: das ist nicht das Interessante.
00:42:38: Das Interessante ist, dass es auch im idealen Durchschnitt funktioniert.
00:42:42: Und so ist es hier im zweiten Band mit den Krisen, also man könnte sagen, Leute sind
00:42:47: gierig oder die Leute passen nicht auf oder betrügen bei den Preisbildungen oder so.
00:42:54: All diese Sachen, die es gibt und wenn wir uns an die letzten Krisen erinnern, dann waren
00:42:58: das ja auch immer Deutungsmuster, die Banker sind gierig geworden oder sie arbeiten mit
00:43:03: Unfernmitteln oder sie halten sich nicht an die Regeln und so weiter und so fort.
00:43:07: Und was hier gemacht wird, ist zu sagen, schatten wir mal all das ab und schauen uns
00:43:11: nur an, wie es funktionieren würde, wenn es denn so funktionieren würde, wie es funktionieren
00:43:15: soll als Modell, selbst dann kann man einen ganz vielen Punkten sehen, warum Krisen immer
00:43:22: wieder auftreten und zu diesem Prozess dazugehören.
00:43:24: Genau.
00:43:25: Ich meine, das führt auch zu dem Punkt, den du schon angesprochen hast, das finde ich
00:43:30: ein wirklich wichtigen Punkt, den ich in meinem Vortrag leider gar nicht näher beleuchtet
00:43:35: habe.
00:43:36: Das Verhältnis ist nämlich der Einzelkreisläufe, also in der Metamorphosenreihe, angefangen
00:43:44: mit Warenkapital, angefangen mit Geldkapital oder produktiven Kapital und das ist ja eben
00:43:50: jeweils eigenlogische Kreisläufe sind, mit eigenen Besonderheiten, die Marx thematisiert
00:43:57: und es ist genau so, beim Lesen stellt sich das Gefühl an, okay, weiß ich doch schon irgendwie
00:44:03: und dann gibt es doch diese Grundfrage, dass er sagt, na ja, aber alle diese Einzelkreisläufe
00:44:11: müssen in ein Gesamtkreislauf eingebettet sein, sie müssen sozusagen ihre Voraussetzungen
00:44:17: vorfinden, damit sie überhaupt als Kreislauf funktionieren können.
00:44:22: Und das ist ja ein interessanter, auch krisentheoretischer Aspekt, weil aus dem Einzelkreislauf, also
00:44:30: auch des individuellen Kapitals, immer die Frage entsteht, wie kommt es eigentlich zum
00:44:36: Gesamtkreislauf des Kapitals, weil das ist ja dann die Krise, dass es nicht gelingt und
00:44:43: dieser Gesamtzusammenhang, also dass er letztlich versucht, dafür ein Modell auch zu
00:44:49: entwickeln.
00:44:50: Ja, ich glaube, dass diese ganzen technischen Details dadurch auch interessant werden, wenn
00:44:55: es so eine Perspektive hat, dass man sich sagen kann, ich verstehe plötzlich viel besser,
00:45:00: was das bedeutet zu sagen, diese ganzen einzelnen Prozesse haben unterschiedliche Zeitlichkeiten.
00:45:06: Also, wenn ich sprötchen herstelle, dauert das eine andere Zeit, als wenn ich ein U-Boot
00:45:11: herstelle.
00:45:12: Auf der Oberfläche ist das aber beides Kapital, das da verwertet wird.
00:45:16: Man muss in diese Details hineinschauen und dann auch schauen, wie sich der U-Boot baut
00:45:21: mit dem Brötchenbacken, wie hängt das eigentlich zusammen, weil die Arbeiter, die auf der U-Boot
00:45:26: werft, arbeiten, ja auch lang, jeden Morgen ihr Frühstücksbrötchen essen müssen.
00:45:31: Ja.
00:45:32: Und gleichzeitig gilt es auch für das Keltkapital, also Zinsen bezahle ich ehrlich und die Löhne
00:45:36: werden auch monatlich bezahlt.
00:45:38: Ja, damals täglich oder wöchentlich.
00:45:40: Also, man hat diese unterschiedlichen Zeiten und diese Zeitlaufe, die eben so ineinander
00:45:45: begreifen.
00:45:46: Ja.
00:45:47: Und wenn man das alles so liest und auch sieht, wie komplex das eigentlich wird, schon auf
00:45:51: dieser Ebene, dann fragt man sich ja, wie kann das überhaupt funktionieren.
00:45:55: Und das ist eigentlich der interessante Effekt, der sich einstellt, wenn man sich durch diese
00:46:00: technischen Passagen so ein bisschen durchgequält hat.
00:46:03: Sag mal, da du ja auch Philosophie machst, also an sich würde ja jetzt naheliegen, den Begriff
00:46:09: der Totalität anzusprechen, ja, in dem Zusammenhang.
00:46:13: Also, ein Kreislauf, der sich selbst voraussetzt und auf sich zurückläuft, ja, so alle Elemente
00:46:19: sind durch diese Totalität bestimmt.
00:46:21: Nun könnte man ja sagen, eigentlich ist doch ein klassischer Totalitätsbegriff so ausgestaltet,
00:46:29: dass er gelingt.
00:46:31: Also, in der Totalität verweist alles aufeinander und es bildet einen geschlossenen Kreislauf,
00:46:38: der gelingt.
00:46:39: Und was ja Marx jetzt macht, ist ja ein Modell zu entwickeln, damit komme ich nochmal, also
00:46:44: was wir vorher schon hatten, Krise, dass es eine Totalität ist, die eigentlich, und du
00:46:49: hast es ja jetzt auch gerade nochmal so pointiert, gesagt, scheitert.
00:46:53: Also, es ist eine Totalität, die in sich alle Prozesse so gliedert, dass alles scheitert,
00:47:00: immerzu von neuem scheitert und immerzu von neuem gelingt.
00:47:04: Ist nicht genau das, was wir historisch mit dem Begriff der Totalität vor Augen haben,
00:47:10: oder?
00:47:11: Naja, ich bin mir da gar nicht so sicher, dass man wirklich sagen kann, dass scheitert.
00:47:15: Ja, bisher gibt es den Kapitalismus noch.
00:47:18: Ja, eben, also es gibt immer wieder diese Prozesse, aber was man sehen kann, ist, dass es nicht
00:47:23: so ein selbstverständliches Gelingen ist.
00:47:27: Das ist, glaube ich, das Interessante, also, dass die Krisen in diesen Prozesse hineinwürgen
00:47:31: und sich da durch Gesetzlichkeiten durchsetzen, von denen man sonst gar nicht wüsste, wie
00:47:36: die sich eigentlich durchsetzen sollen.
00:47:38: Ja, also, wenn man jetzt diese ganze Wertform-Analyse im ersten Band nimmt, da gibt es ja Leute wie
00:47:43: Axel Honnet, die sagen einfach, das braucht man nicht mehr zu lesen, das ist vollkommen
00:47:48: überholt, weil das können wir empirisch zeigen, dass niemand so handelt, ja, und dass diese
00:47:54: Wertverhältnisse, die Arbeitstheorie des Wertes, dass das alles überhaupt nichts mit der Realität
00:48:00: zu tun hat.
00:48:01: Und was in diesen Krisen passiert ist aber, so wäre das Argument von Marx, das sagt,
00:48:06: wenn man das von oben ein bisschen anschaut, dass dieses Modell gar nicht 1 zu 1 umgesetzt
00:48:11: werden kann, dass aber die Gesetzmäßigkeiten, die durch diese Abstraktion, die da vorgenommen
00:48:16: wird und durch die Abstraktion überhaupt erst mal sichtbar werden, sich am Ende doch
00:48:20: wieder durchsetzen müssen.
00:48:22: Ja.
00:48:23: Das heißt, die Krise gehört eigentlich zur Totalität.
00:48:25: Die Krise ist nicht das Scheitern der Totalität, sondern ist die Totalität des Insichtskrisen
00:48:29: hart.
00:48:30: Das ist eine interessante Reformulierung des ganzen Problems der Totalität, weil sie
00:48:34: prozessiert, genau genommen, Krisen, Krisenhaftigkeit und setzt sich gleichsam, mühsam dadurch.
00:48:43: Und die Frage, die sich ja natürlich stellt, ist jetzt sozusagen weit darüber hinaus, die
00:48:50: Frage, wollen wir eigentlich ein Leben ohne solche Krisen?
00:48:55: Weil man könnte ja sagen, also wir kommen ja vielleicht nochmal zurück auf den Gesichtspunkt,
00:49:01: den du schon angesprochen hast, die Zeit, aber wollen wir eigentlich eine Lebensform,
00:49:07: in der alles mit Ächzen und Stönen und Krisenhaft, ich meine, Kant hat das ja in seinen eigenen
00:49:15: Schriften ja auch thematisiert.
00:49:18: Also es gibt den geheimen Plan der Natur und die Gesellschaften entwickeln sich fortschrittlich
00:49:23: immer weiter durch Kriege, durch Folter, durch Zerstörung.
00:49:27: Und dann denkt man, naja, aber ist das eigentlich sinnvoll und wünschenswert und wir würden
00:49:33: ja üblicherweise eher sagen, nee, das wollen wir nicht.
00:49:37: Max würde das auch sagen.
00:49:38: Max würde das eben auch sagen, das heißt, die Analyse dient, also das ist ja ein Aspekt
00:49:42: des Kritikbegriffs, letztlich dient die Analyse auch zu zeigen, das scheitert dauernd, das
00:49:49: misslinkt auch, das Einzelkapital wird immer wieder zerstört.
00:49:53: Ja, ich würde das, das sind glaube ich zwei Ebenen, die man auseinanderhalten muss.
00:49:57: Als Gesamtprozess würde ich sagen und wenn wir von Totalität sprechen, entsprechen wir
00:50:02: ja von dem Gesamtprozess, stellt sich dieser Gesamtprozess immer wieder her, bis jetzt.
00:50:07: Also da kann eine Grenze kommen, aber die ist sozusagen von dem her erstmal nicht berührt.
00:50:12: Er stellt sich immer wieder her krisenhaft, aber die Frage ist, was bedeutet das fürs
00:50:15: Einzelne Kapital, da hast du ja gerade gesagt, das hat vernichtet, also das geht zugrunde
00:50:20: in diesem Prozess.
00:50:21: Aufmals, ja, nicht immer, aber es gibt ja auch lange Kontinuität.
00:50:24: Das passiert immer wieder, also es ist schwer für Einzelne Kapitalisten, die stehen immer
00:50:30: in diesem Konkurrenzprozess und sind immer von dieser Drohung umstellt, dass ihr Kapital
00:50:37: auch untergehen könnte und auf der Ebene von einzelnen Personen, also wenn wir nicht nur
00:50:42: von Kapitalistinnen und Kapitalisten reden, sondern auch von den Leuten, die arbeiten,
00:50:47: die sind von diesen Krisenprozessen natürlich auch ganz hart getroffen und deswegen ist
00:50:51: so eine Vergesellschaftungsform, die das, Marx spricht, dann immer von Naturwüchsich oder
00:50:56: quasi Naturwüchsich organisiert, wo so etwas sich eben krisenhaft durchsetzen muss und
00:51:01: nicht gesteuert und geplant werden kann, das hat relativ hohe Kosten, kann man jetzt sagen,
00:51:06: für die Erzeln.
00:51:07: Das ist natürlich dagegen, das so zu organisieren.
00:51:10: Genau.
00:51:11: Letztlich ist es ja auch ein permanentes Scheitern im Verhältnis von Einzelnen und allgemeinem,
00:51:18: also dass man sagen könnte, die Einzelnen werden ständig diesen Prozess der Allgemeinheit
00:51:23: untergeordnet.
00:51:24: So gesehen könnte man sagen, es ist ein absolut vordemokratischer Prozess, wenn wir denken,
00:51:31: dass ja irgendwo, dass eine Spannung ist, die ausgetragen werden muss, dass das Einzelne
00:51:38: sich zur Geltung bringen kann.
00:51:40: Ja, das ist auch eine Spannung, die die kritische Theorie schon immer wieder formuliert hat
00:51:45: und so.
00:51:46: Also es gibt zum Beispiel von Negt und Kluge, die sagen, der Betrieb ist irgendwie rational
00:51:50: organisiert.
00:51:51: Ja, genau.
00:51:52: Und diese Rationalität sind die Leute unterwürfen, der gesamten Prozess ist vollkommen irrational,
00:51:57: also in diesem Sinne krisenhaft, wie wir es beschrieben haben, und die Menschen leben
00:52:01: irgendwie so dazwischen.
00:52:02: Also kein Betrieb würde sich so organisieren, wie die kapitalistische Ökonomie insgesamt
00:52:07: organisiert ist.
00:52:08: Ja, keine Familie könnte so organisiert sein, wie die kapitalistische.
00:52:12: Der Begriff der Rationalität spielt ja jetzt in diesen Manuskripten keine Rolle, aber genau
00:52:17: genommen entfaltet Marx dieses Argument.
00:52:20: Ich würde gerne noch mal auf diese Frage der Zeit zurückkommen, weil ich finde, dass
00:52:26: du das eben vorhin ja stark gemacht hast als einen wichtigen Gesichtspunkt in der ganzen
00:52:33: Argumentation.
00:52:34: Und ich finde es deswegen auch interessant, weil ja Marx eben damit deutlich macht, dass
00:52:40: das Kapital, wie kann man sagen, nicht einfach nur so ein homogener Plock ist, sondern sich
00:52:46: in die Zeit hinein legt, ja, also ein hohes Maß an Verzeitlichung, also ganz unterschiedliche
00:52:54: Produktionszeiten, Umschlagszeiten, also für die Kapitalbildungsprozesse, für die
00:53:00: Akkumulationsdynamik entstehen daraus ja auch wiederum irre Spannung zwischen Einzelnen
00:53:06: und Gesamtprozess, also stofflich gesehen auf der einen Seite, aber vor allen Dingen
00:53:11: auch hinsichtlich der Verwertung von Kapital.
00:53:14: Ja, und das finde ich, wäre noch mal mit Blick auf die Frage unseres Verständnisses,
00:53:22: Kapitalverhältnisses, klärungsbedürftig, oder?
00:53:26: Ja, ich finde es interessant hinsichtlich unseres Verständnisses von dem, was Zeit ist.
00:53:30: Ja.
00:53:31: Also wir haben jetzt eine bestimmte Vorstellung von physikalischer Zeit, die dominant ist,
00:53:36: wo man so denkt, das ist einfach so ein leeres Fortschreiten, ja, also klack, klack, klack,
00:53:41: immer eine Sekunde, ja, und so spinnt sich die Zeit voran.
00:53:46: Und Zeit ist natürlich eine Dimension von Bewegung oder Veränderung, wenn man das jetzt
00:53:51: mal ein bisschen von Warder weg betrachtet, und es gibt eben in diesem gesellschaftlichen
00:53:56: Prozess, in diesem sozialen Verhältnis, den das Kapital darstellt, gibt es eben ganz viele
00:54:03: verschiedene Prozesse, die ihre eigenen Zeitlichkeiten haben und dadurch auch ihre eigenen Rhythmen
00:54:08: haben, ja, also klack, klack, klack, Sekunde, Sekunde, Sekunde, ist ja auch ein Rhythmus,
00:54:13: ja.
00:54:14: Aber der Rhythmus von Produktionszeiten, von diesen Produktionsprozessen, die ja ganz
00:54:19: materielle Prozesse sind, ja, also von Reifung oder, ja, denen brauchen einfach eine bestimmte
00:54:24: Zeit, um zu entstehen, und im Kapitalismus werden diese Zeiten nicht einfach so hingenommen,
00:54:31: die sind nicht einfach da, sondern es wurde auch Einfluss genommen auf diese Zeiten, so
00:54:34: weit es geht, ja, also in dem man zum Beispiel versucht, die Produktionszeit zu verkürzen,
00:54:39: in dem man versucht, die Umschlagszeiten, also die Verwertungszeiten dann wieder zu beeinflussen
00:54:44: und so weiter und so fort, ja, also, das heißt, hier sieht man in dem Zweifel, ja, also,
00:54:49: in der zweiten Band schon, dass Zeitlichkeit für den Kapitalismus in verschiedenen Hinsichten
00:54:54: eine Rolle spielt, einmal als Krisenhaft, einmal als etwas, was es zu beherrschen und zu verändern
00:55:00: gilt, und dass es aber eben nicht diese eine Zeit gibt, sondern es gibt eben Zeitlichkeiten.
00:55:05: Ja, ja, genau, also je nach Verwertungsdynamik, Logik, ja, wird eben massiv Einfluss genommen
00:55:11: auf Verkürzung der Transportzeiten oder Beschleunigung von Reifungsprozessen, was weiß ich bei
00:55:18: Käse, bei Getreideanbau, bei Brot, bei Mode, von einem Umschlag auf 16, also Fast-Fashion,
00:55:29: dass man eben da die Zeiten enorm beschleunigt, um Kapitalverwertung dann eben auch zu dynamisieren
00:55:37: und natürlich auch mit der, wenn man so will, Finanzialisierung auch sich von der Zeit
00:55:43: in der gewissen Weise unabhängig zu machen, also Geld so flüssig zu halten, dass man
00:55:47: es in Echtzeit gleichsam anlegen und wieder losbinden kann von Anlagen, also das Wort
00:55:54: Anlage heißt ja auch eine Bindung eingehen.
00:55:57: Da bin ich skeptisch, also ich glaube das zeigt uns vielleicht auch der zweite Band, dass
00:56:02: man diese Entkoppelung nicht so einfach machen kann, sondern das ist immer bedeutet auch
00:56:07: bei der Finanzialisierung, also das Geld kommt irgendwo her und es geht irgendwo hin, es
00:56:12: ist immer in diesen Umschlagprozessen enthalten und Marx diskutiert es ja an Menschenstellen
00:56:18: auch, dass er sagt, wenn die Leute jetzt anfangen Geld anzuhäufen, was machen sie denn da eigentlich?
00:56:23: Sie haben irgendwie einen Anspruch auf Geld in einer Bank oder sie geben Sachen, die sie
00:56:30: eingenommen haben an die Bank und was ist das Geld da, es ist ja nicht ein Haufen, der
00:56:35: in der Bank liegt, sondern es wird sofort wieder in Produktionsprozesse eingespeist
00:56:39: und gleichzeitig was, was im zweiten Band nicht vorkommt, also das ist eine der Abstraktionen,
00:56:44: die da noch vorgenommen wird und dann im dritten Band aufgehoben wird, gleichzeitig
00:56:47: fungiert das Geld dann eben als Kredit in den anderen Produktionen zu Prozessen, was
00:56:51: schon wieder eine Lösung dafür sein könnte für manche der Probleme, die im zweiten Band
00:56:56: auftauchen, wo man sich fragt, wie funktioniert das, weil eben da ein Instrument, eine Technik
00:57:01: erfunden wurde, mit der man diese Probleme abmildern und lösen kann und das macht mancher
00:57:07: Kritikken am zweiten Band, also ich denke jetzt insbesondere an Rosa Luxenburgs Akkumulation
00:57:11: des Kapitals auch ein bisschen schräg, weil sie einerseits das ganz ernst nimmt, was
00:57:19: Marx im zweiten Band macht und diese Schematal, die es dann da insbesondere zur Reproduktion
00:57:24: des Kapitals als Gesamtprozess gibt, mit den beiden Abteilungen, weil sie das ganz ernst
00:57:30: und wörtlich nimmt, mit denen rechnet und andererseits eben aber dann auch so Sachen
00:57:35: vorwirft, wie dass er bestimmte Sachen nicht mit hineingenommen hat, das heißt die Abstraktion,
00:57:40: die dort vorgenommen wird, ist eine Abstraktion, die sie einerseits mitmacht und andererseits
00:57:45: nicht und dadurch entsteht bei Luxenburg wiederum was Interessantes, ich würde gar nicht sagen,
00:57:52: das entwertet jetzt alle ihre Überlegungen, nur als Kritik an Marx und als Kritik am
00:57:56: zweiten Band sind sie nicht so richtig.
00:57:58: Das Buch behandelt ja das Thema der Reproduktion, ja, also das ist ja ganz entscheidend und
00:58:06: ich finde es lohnt sich vielleicht nochmal einen Blick auf die Diskussion auch dieses
00:58:12: Begriff zu werfen, also Louis Althusser hat ja in Ideologie und ideologische Staatsapparate
00:58:19: es für wichtig erklärt, dass also aus seiner Sicht ist es ja ein Moment der Krise auch
00:58:24: das Maxismus, dass der Maxismus nicht den Begriff der Reproduktion ernst nimmt, ja, und
00:58:32: dann letztlich so argumentiert, wir müssen uns auf den Standpunkt der Reproduktion stellen
00:58:37: und das ist eigentlich bemerkenswert, weil man ja sagen könnte, Marx macht ja den Begriff
00:58:45: der Reproduktion ganz stark, ja, gleichzeitig ist es nicht das, was man unter einer gesamtgesellschaftlichen
00:58:53: Reproduktion verstehen könnte und der Aspekt der Althusser jetzt besonders wichtig ist,
00:59:00: nämlich Reproduktion der Unterwerfung, also es geht ja Marx bei Reproduktion darum, dass
00:59:07: alle Elemente des Kapitalverhältnisses und des Kapitalverhältnisses selbst reproduziert
00:59:13: werden in der Reproduktion, also das ist keine staatliche Angelegenheit, sondern es reproduziert
00:59:19: sich, aber dann geht er auf Arbeiterinnen nicht mehr näher ein und sagt ausdrücklich,
00:59:25: das ist nicht sein Thema hier, Althusser macht genau das stark.
00:59:29: Ja, also das ist schon interessant, weil Althusser hier auch was macht, er nimmt von Marx dieses
00:59:36: Modell und sagt, wir wissen ja schon, durch den zweiten Band, also er bezieht sich explizit
00:59:42: auf den zweiten Band, wir wissen ja schon, dass sich die einzelnen Bestandteile des
00:59:47: Kapitals reproduzieren müssen und dann, wie du sagst, stellt auch Althusser fest, aber
00:59:52: über die Reproduktion der Arbeitskraft wird gar nicht weiter gesprochen und das ist in
00:59:57: gewisser Weise auch eine sehr interessante Ergänzung, die Althusser da macht, aber sie
01:00:02: liegt gar nicht so sehr im Fokus von dem, was Marx machen will, den interessieren die
01:00:06: einzelnen Kapitale und wie die sich miteinander verschlingen und jetzt ist die Frage bei diesen
01:00:12: Kritiken, sowohl von Althusser als auch von Luxemburg, ist immer die Frage, darf man das
01:00:17: so machen?
01:00:18: Also kann man diese Reproduktion Schematthaar machen, ohne über die Reproduktion der Arbeitskraft
01:00:23: zu sprechen, im Detail, oder kann man das machen, ohne Luxemburg das gleiche Außenhandelszufuhr,
01:00:31: irgendwie über den Außenhandel zu sprechen, ist das eigentlich möglich?
01:00:35: Praktisch, wenn es sich um eine geschlossene Ökonomie handelt.
01:00:41: Das wirft Luxemburg ihm dann auch vor, das sagt er explizit, ich betrachte das als eine
01:00:47: Ökonomie, die die ganze Welt umfasst und ich sehe auch davon, dass es noch andere Klassen
01:00:52: geben könnte.
01:00:53: Das sind ganz klare Setzungen, die Marx macht und das ist stark an dem Buch, dass diese
01:00:58: Voraussetzungen da so stark genannt werden, insbesondere im zweiten Bahn und deswegen würde
01:01:03: ich sagen, man darf das so machen, das hat was mit dem Argumentationsziel zu tun und
01:01:08: das bringt uns vielleicht auch noch mal zu dem Begriff der Reproduktion, bringen uns
01:01:12: dann noch mal zurück zum Begriff der Totalität, was ist die eigentlich?
01:01:16: Die Totalität hängt sehr stark davon ab, was ich eigentlich gerade erklären will, wenn
01:01:21: ich wie Althusser erklären will, wie die Reproduktion der Arbeitskraft funktioniert und Arbeitskraft
01:01:27: nicht nur verstehe, als da muss ein biologisches Wesen da sein, dass sich soweit regeneriert
01:01:33: hat, dass es am nächsten Tag wieder arbeiten kann und vielleicht auch noch Kinder kriegt,
01:01:37: sodass in der nächsten Generation auch wieder Leute dastehen, die arbeiten können, sondern
01:01:41: Arbeitskraft etwas ist, was zugerichtet sein muss, was bereit sein muss, in solchen Arbeitsprozessen
01:01:48: sich ausbeuten zu lassen, was die gesellschaftlichen Positionen auch akzeptiert, dann hängen da
01:01:53: ja ganz viele Sachen mit dran, die man sagen könnte zu einer gesellschaftlichen Totalität
01:01:58: gehört das dazu, dass die Leute die richtige Einstellung haben, dass sie die richtigen
01:02:03: Fähigkeiten und Fertigkeiten haben, dass sie ja in einer bestimmten Art und Weise auf
01:02:06: die Welt und auf ihren Platz in der Welt blicken, all das würde dazu gehören.
01:02:11: Für Marx ist die Totalität, die er betrachtet, aber eine andere, es ist die Totalität dieser
01:02:15: Austauschprozesse.
01:02:16: Aber ist es nicht auch so, ich meine du hast es jetzt nochmal so methodisch, methodologisch
01:02:24: zugespitzt, man könnte natürlich auch sagen, also er hat ja in der Einleitung, die dem Text
01:02:30: der Grundrisse vorausgestellt ist, von 1857, spricht er ja von der ökonomischen Totalität,
01:02:37: dass er da auch eine selber eine Einschränkung vornimmt, aber wir auch, man könnte auch
01:02:42: sagen, das ist auch tatsächlich, wofür Althusser ja ja immer argumentiert hat oder auch Horkheimer
01:02:48: eine Art Erkenntnisfortschritt im Maxismus gibt, nämlich zu sagen, das reicht nicht,
01:02:53: ökonomische Totalität, im Kapitalband 1, aber auch hier sagt er, ich lasse die Arbeiter
01:03:00: weg, die findet der Kapitalist einfach vor, aber wir wissen natürlich auch nicht zuletzt
01:03:05: aus den vielen Diskussionen der Frauenbewegung, dass es eben so nicht ist, ja und aus den
01:03:11: ganzen Forschungen, aus dem Umfeld von Foucault, dass es so nicht ist, dass es wahnsinnig
01:03:16: viel bürgerlichen Aktivismus gegeben hat, Familienmodelle zu schaffen, die Arbeiterinnenklasse
01:03:23: zu familiarisieren, bestimmte Formen von Kleinfamilien zu konstruieren und Frauen dann
01:03:30: in die Hauswirtschaftsschulen zu schicken und zu moralisieren, also viele solche Praktiken
01:03:34: und man könnte sagen, das ist auch ein wirklicher Erkenntnisfortschritt, also den man gar nicht
01:03:40: gegen magst, sondern man könnte sagen, auch mit magst argumentieren kann, aber der eben
01:03:45: darüber hinausgeht über das, was du jetzt sozusagen als Erkenntnisziel dieser Analyse
01:03:51: in den treibenden Kapital formuliert, also dass wir da auch wirklich mit magst sozusagen
01:03:57: einfach weitergegangen sind, mal wie das berühmt heißt, mit magst über magst hinaus.
01:04:03: Ja, also Erkenntnisfortschritt, da zöger ich so ein bisschen an der Stelle, ob ich das
01:04:09: so beschreiben würde wollen, es ist halt ein relativ klares theoretisches Projekt, das
01:04:15: magst in den treibenden Kapital verfolgt und ich finde das wichtig, das ernst zu nehmen,
01:04:20: warum finde ich das so wichtig, weil ich glaube, dass dadurch eben auch Fehlektüren entstehen
01:04:26: können, dass man nicht alles mitnimmt aus diesen treibenden des Kapitals, was sich daraus
01:04:30: mitnehmen lässt, wenn man an jeder Stelle immer schon Einwände formuliert.
01:04:35: Dadurch, dass er mit dieser Methode der Abstraktion so stark arbeitet und so bewusst arbeitet,
01:04:41: ist es kein sinnvoller Zug, immer zu sagen, in Wirklichkeit sind die Sachen doch viel
01:04:44: komplizierter.
01:04:45: Das stimmt.
01:04:46: Das ist ja klar, das ist ja auch ein letterliches Argument.
01:04:49: Sondern man muss die Erkenntnisschritte mitmachen und dann gibt es immer noch Momente, also selbst
01:04:55: einmal sagt man es in gewisser Weise, im dritten Band kommt man so ein bisschen wieder
01:05:00: an der Oberfläche des Ökonomischen an, was einem immer noch nicht hilft zu sagen, wohllege
01:05:05: ich denn jetzt am besten mein Geld in Aktien an, also das ist ja nicht das Ziel des Buches
01:05:09: oder das Ziel der Überlegung, aber selbst wenn man das sagt, gibt es eben noch die ganzen
01:05:14: Aspekte, die du angesprochen hast, die da nicht vorkommen, die in diesem Projekt nicht
01:05:18: vorkommen.
01:05:19: Jetzt ist die Frage, hilft es uns mit dem Begriff der Totalität, daran anzugehen und so eine
01:05:25: Vorstellungsamt, die hoch kam ja vielleicht gar nicht hatte.
01:05:27: Nein, ich habe auch mehr als bisher vor Augen, weil ich finde, dass seine Überlegung zu
01:05:34: sagen, ich betrachte die Treibände des Kapitals praktisch als eine erste Entfaltung der Philosophie,
01:05:43: das ist ein Projekt, was nicht in den Treibänden aufgeht, also deswegen bin ich auch so gegen
01:05:48: diese Kernwesens-Oberflächenmetaphorik, weil das ganze Projekt so einschränkt.
01:05:56: Das war jetzt so, das was mir durch den Kopf ging, dass ich finde, ja, sollten wir nicht
01:06:01: oder könnten wir nicht diese Überlegung, dass wir sagen, okay, Marx nimmt da etwas als
01:06:07: selbstverständliche Voraussetzung, aber der historische Prozess von Herrschaft, von
01:06:13: sozialen Kämpfen, belehrte uns darüber, innerhalb dieser Theoriebildung das tatsächlich
01:06:21: mit hineinzunehmen und das ist nicht jetzt abstrakt zu sagen, die Welt ist viel komplexer
01:06:26: oder so, sondern es sind ganz konkrete Erkenntnisprozesse aus den sozialen Kämpfen gewonnen und den
01:06:34: Praktiken der Arbeiterbewegung zu sagen, ja, wir müssen das in den Blick nehmen.
01:06:39: Die werden menschenfamiliarisiert, wie operiert die Buchweise, sie moralisierend, wenn sie
01:06:45: solche Reformen verbrücken mit Schule, mit Pfarrern, mit und so weiter, also was ja zeitgleich
01:06:52: zu Marx stattgefunden hat, also seines Kitzel des Manchester-Kapitalismus ist ja genau
01:06:58: genommen auch nur dieses Kitzel eines besonderen Modells, ja, weil zeitgleich hat es viele
01:07:05: andere Versuche von Kapitaleigentümern gegeben, sicherzustellen, dass der Prozess der Reproduktion
01:07:12: gelingt, ja.
01:07:13: Ich will dem gar nicht so unmittelbar widersprechen, die Frage, die sich mir nur stellt, ist
01:07:18: an dem Punkt, ändert das etwas an unserem Verständnis des Kapitalprozesses oder des
01:07:25: Kapitals als soziales Verhältnis und da wäre ich skeptisch, deswegen auch die Frage, muss
01:07:30: das unter der Überschrift Totalität diskutiert werden.
01:07:33: Zu sagen, es gibt diese verschiedenen Aspekte und diese verschiedenen Aspekte tragen auch
01:07:37: alle zur gesellschaftlichen Reproduktion bei und verschlingen sich auch mit der Kapital-Reproduktion
01:07:43: ist ja durchaus richtig, aber die Frage ist, muss wieder so eine Red-Vertalisierung stattfinden.
01:07:48: Es ist vielleicht auch eine Diskussion zwischen Foucault und Althusser, die da stattgefunden
01:07:52: hat, also das Althusser schon auf der Seite stand zu sagen, all diese Untersuchungen sind
01:07:57: wichtig und richtig und sie tragen besser zu unserem Verständnis davon bei, was kapitalistische
01:08:02: Reproduktion insgesamt bedeutet.
01:08:04: Während Foucault eher gesagt hat, es gibt ganz verschiedene Momente, aus denen man das
01:08:09: betrachten kann und auch die verschlingen sich wieder miteinander, aber es findet nicht
01:08:14: mehr dieser Prozess der Totalisierung statt und das hat durchaus strategische Konsequenzen,
01:08:22: wie man das ansieht.
01:08:23: Ja klar, die Linke.
01:08:24: Die Frage ist, gibt es einen Punkt oder ein Verhältnis, das umgestorzt werden muss?
01:08:28: Gibt es mehrere Verhältnisse, die unterstorzt werden müssen?
01:08:31: Na da bin ich ja sehr klar der Meinung, dass es viele Verhältnisse gibt, dabei das ist
01:08:35: ja die interessante Frage, die ich finde, hast du recht, zwischen Foucault und Delois
01:08:40: und Althusser sozusagen anhängig waren als Fragestellung, nämlich wie artikulieren diese
01:08:46: Widersprüche sich und Althusser ist ja ganz skeptisch gegenüber dem Totalitätsbegriff,
01:08:52: weil er darin so eine Vereinheitlichungs-Tendenz sieht und deswegen eher vom gekliederten Ganzen
01:08:59: spricht und ich würde sagen, ja was doch jetzt die Diskussion der letzten Jahre auch zu Intersektionalität
01:09:06: gezeigt haben, ist eben eine Verfielfältigung der Auseinandersetzung, deswegen habe ich
01:09:12: auch diese Frage nochmal so eingebracht auf dem Standpunkt der Reproduktion, weil das
01:09:18: könnte ja heißen, dass wir eben sagen, die Reproduktion gelingt, also wie wir das vorhin
01:09:24: unterschieden haben, einerseits gibt es sozusagen diese Abstraktion, also der reinen Reproduktion
01:09:31: und gleichzeitig wird darin aber auch das ganze Krisenhafte schon eben auch mitthematisiert
01:09:38: und erklärt und das ist eben auch für die Geschlechterverhältnisse, für den Zugriff
01:09:44: auf globale Ressourcen und dazu gehört eben auch menschliches Arbeitsvermögen, das so
01:09:49: mit in den Blicken genommen werden muss oder sollte, ja, das war so ein bisschen mein Punkt.
01:09:55: Aber die Frage für mich ist, warum magst du jetzt genau das mit diesen Reproduktionssachen
01:10:00: so abschottet und die Kritik, das hast du ja gesagt von feministischer Seite, von hauptsächlich
01:10:05: von feministischer Seite, aber nicht nur, ist ja sehr groß immer daran gewesen zu sagen,
01:10:09: dass du es abgeschottet, aber aus der Perspektive dieser Kapitalprozesse, die er da betrachtet,
01:10:15: ist die gesamte Reproduktionsphäre durch den Arbeitslohn abgedeckt.
01:10:18: Sie ist dadurch bezahlt, das ist alles Teil dieses Moments, ja, und jetzt kann man sagen,
01:10:24: da passiert noch ganz viel und das muss betrachtet werden und es ist wertbetrachtet zu werden,
01:10:31: dagegen will ich gar nichts sagen, aber vielleicht kann man von daher verstehen, warum diese Abschattung
01:10:35: an der oder diese Abschattung an der Stelle so funktioniert.
01:10:39: Ja, ja, also ich finde diesen Akzent gut, also diese Formseite so zu betonen, das ist
01:10:47: ja genau diese, kann man sagen, diese Abstraktionsleistung, die Marx da versucht, das Kapitalverhältnis
01:10:55: so zu thematisieren.
01:10:57: Ich glaube, also dass der Band eben mit diesem Hinweis von alt bisher auf Reproduktion vielleicht
01:11:05: eben uns hilft, dann doch auch mehr in förmlicher Hinsicht zu thematisieren, weißte, ich meine
01:11:12: es jetzt gar nicht so als sozialgeschichtliche Aspekte, sondern ich meine eben schon auch
01:11:18: diese Dimension, wie können wir das formspezifisch hineinholen, dass wir in diesen Formen, diesen
01:11:26: ideologischen Formen, in diesen Praktiken leben, ja, und ich mein, deswegen finde ich
01:11:32: das vorwort, ja, wo Marx das so thematisiert eben, dann letztlich für mich sehr, sehr
01:11:37: wichtig, von 59, dass er eben sagt, ja, also was ich real mache ist, ich schreibe zur
01:11:45: Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft, ne, und Kramsche, der das so aufgreift und sagt,
01:11:51: na ja, schön, aber wer verliebt sich schon in das Knochengerüst einer Person, ja, also
01:11:56: dazu gehören eben viele andere Prozesse auch, und dafür haben wir vielleicht viel
01:12:02: zu wenig, wenn man so will, formelle Begriffe, ja, aber in die Richtung würde ich glaube
01:12:08: ich gerne argumentieren. Ja, das verstehe ich, aber um jetzt nochmal mit dem abzuschließen,
01:12:15: damit wir auch angefangen haben, das Blätter je für den zweiten Band, und warum er in
01:12:20: also einer Sprötigkeit und Technik zählt, und sozusagen auch Beschränktheit trotzdem
01:12:25: interessant ist, ist zu sagen, na ja, man kann auch an diesem begrenzten Projekt schon relativ
01:12:32: viel sehen und verstehen. Super, vielen Dank, Christian, das ist wunderbar, ich hoffe es
01:12:38: hilft, jede Hemmschwelle bei der Lektüre des zweiten Bands zu überwinden, allen Zuhörerinnen,
01:12:46: viel Spaß bei der Lektüre.