tl;dr #50: Roland Barthes: «Mythen des Alltags» | mit Eva Geulen
Roland Barthes’ «Mythen des Alltags» beschreibt, wie alltägliche Phänomene und Medienbotschaften als Mythen wirken. Sie lassen menschengemachte, historisch gewachsene Bedeutungen als natürliche, unveränderliche Tatsachen erscheinen. So werden gesellschaftliche Ideologien verschleiert und legitimiert.
Das Buch versammelt 53 Analysen von Mythen, die Barthes charakteristisch für das alltägliche Leben in Frankreich hält: Wrestling, Tour de France, Wein, Kochen, Reiseführer, Werbung, Arbeiterklasse in den Filmen Charlie Chaplins, Hochzeitsfeiern, das Design von Autos. Barthes versteht sich als Mythologe. Er liest die Mythen als Teil eines umfassenden Zeichensystems und schlägt vor, den Mythos als eine Sprache, eine Rede zu begreifen. Sie kann alles in Mythos verwandeln: die Mathematik ebenso wie das Gehirn Albert Einsteins. Die Mythen sind eine Praxis der Bourgeoisie, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ent-nennen und sie in vermeintliche Natur zu verkehren. Barthes will seine Analyse der «Alltagsmythen» als eine semiologische Demontage der Massenkultur verstanden wissen und als Ideologiekritik. Dabei reicht ihm ein bloßes Anprangern der Ideologie jedoch nicht, die Mythen verhüllen nicht, sie sagen alles und sie reden zu viel. Barthes will mit den Mitteln der Zeichentheorie erfassen, wie Mythen und Ideologeme konstruiert werden, wie also die Klassenkultur des Bürgertums in die universelle Kultur eines «ewigen Menschen» verwandelt wird. Barthes‘ Analysen zielen auf eine Semioklastik überzugehen, also ein Sturm auf die herrschende Produktion von Sinn und Bedeutung und deren Zerstörung. Den Mythen stellt er eine Form von Diskursen entgegen, die nah an der gesellschaftlichen Arbeit die Bedeutung des Realen erzeugen können.
Zu Gast bei Alex Demirović ist in dieser Folge die Literaturwissenschaftlerin und Direktorin des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Eva Geulen.
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